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Montag, 31. Mai 2010

Betriebsgeheimnisse (5): Stichtag 31. Mai

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Sarg und Grabkränze sind steuerlich absetzbar, nicht aber Trauerkleidung und die Bewirtung der Trauergäste. Das steht klipp und klar in der Anleitung der Finanzämter zum Ausfüllen der Steuererklärung, die heute fällig wird. Wenn zu Lebzeiten nur alles so klar wäre! Jedes Frühjahr überrascht der Bundesfinanzminister mit neu gestalteten Formularen und kryptischen Erläuterungen. Diesmal soll eine „Anlage Vorsorgeaufwand“ ausgefüllt werden. Doch die Beiträge für die Riester-Rente werden nirgendwo abgefragt, und um als Freiberufler drauf kommen, dass man die Autohaftpflichtversicherung in Zeile 18 geltend machen kann, muss man erst das Fallbeispiel eines Lohnarbeiters auf einem anderen Blatt durchlesen. So trainieren die Finanzämter mit einem alljährlichen Intelligenztest die Gehirnzellen der Steuerpflichtigen. Andererseits: Eine pfiffigere Textredaktion im Finanzministerium könnte erheblichen Schaden von der deutschen Volkswirtschaft abwenden, der jeden Mai durch massenhaft vertane Zeit und schlechte Laune entsteht. - Mehr Kolumnen aus der Kulturrepublik

Freitag, 21. Mai 2010

Im Theater (9): Theatertreffen-Bilanz


Liebe und Geld von Dennis Kelly, gestern abend im Deutschen Theater aufgeführt, erzählt chronologisch rückwärts die Geschichte eines jungen Londoner Ehepaares bis zum Selbstmord der Ehefrau (Susanne Wolff), der von ihrem Mann (Daniel Hoevels) bewusst nicht verhindert wird. Denn durch ihre Kaufsucht hat sie einen riesigen Schuldenberg aufgehäuft. Das Stück passt nahtlos in die diesjährige Auswahl der Theatertreffen-Jury. Während der Vorstellung war Michael Bienerts Bericht über das Festival in der STUTTGARTER ZEITUNG schon im Druck und blieb daher unerwähnt. Sie können ihn online hier lesen. Der Artikel stellt auch die Frage, wie lange sich die Berliner Festspiele so aufwendige Gastspiele wie Marthalers Riesenbutzbach im Hangar 5 des Flighafens Tempelhof noch leisten können. Das Foto zeigt das grandiose Bühnenbild von Anna Viebrock kurz vor der Vorstellung.

Samstag, 15. Mai 2010

Busen, Bellmer & Bourgeois


"Wir empfehlen einen Ausstellungsbesuch erst ab 16 Jahren, da teilweise sexuelle Darstellungen zu sehen sind", warnen die Kuratoren auf der Website. In der Tat: Wer das Halbdunkel der historischen Remise in der Sammlung Scharf-Gerstenberg gegenüber vom Schloss Charlottenburg betritt, den erwarten multiple Busen, schwellende Gliedmaßen und Geschlechtsteile in jeder Gestalt und Größe. Mehr

Mittwoch, 12. Mai 2010

Im Theater (8): We Are Blood


Ein von der Bundesregierung geförderter Forschungsverbund beschäftigt sich seit 2007 mit dem Überleben im Umbruch, das Maxim-Gorki-Theater bringt die sozialwissenschaftlichen Befunde auf die Bühne. Wir waren in der Premiere von Fritz Katers neuem Stück We Are Blood, hier der Bericht.

Montag, 10. Mai 2010

Im Theater (7): Theatertreffen-Eröffnung

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Linkerhand sitzt eine nette Kollegin vom Hörfunk, die sich ein Taschentuch vor die Nase presst. Rechterhand quillt ein erbärmlich nach Verwahrlosung stinkender Mann über den Theatersessel. Rundum Fernsehgesichter, Schauspieler, Dramatiker, Kritiker, Kulturprominenz. Vorn auf der Bühne predigt Jack Lang, in grauer Vorzeit französischer Kulturminister: „Die aktuelle Krise hat nicht allein finanzielle, sondern auch moralische Gründe. Den Politikern scheint es im Augenblick allerdings an Ideen zu mangeln. Es ist daher an uns, Utopien zu entwickeln.“ Der Kritiker wäre jetzt lieber an einem Ort, wo es weniger stinkt. Jack Lang träumt laut von einer deutsch-französischen Staatsbürgerschaft, einem gemeinsamen Parlament und Kulturministerium. Starker Applaus. Alle hier dürfen sich jetzt sehr wichtig fühlen. Es folgen zwei Stunden gepflegtes Bühnenelend mit „Kasimir und Karoline“ aus Köln. Kurzweilig, weil der Autor Horvath ganz genau wusste, was in einer Wirtschaftskrise wirklich mit den Leuten passiert. Wie sagt Karoline, nachdem sie sich beinahe prostituiert hat? „Ich hab mir halt eingebildet, dass ich mir einen rosigeren Blick in die Zukunft erringen könnte. Aber ich müsst so tief unter mich hinunter, damit ich höher hinauf kann.“

Freitag, 7. Mai 2010

Haushaltsabgabe statt Kopfpauschale


Der neue Stadtrundgang über Medien in Berlin ist ein work in progress, die Arbeit daran geht auch nach der Premiere beständig weiter. Gestern waren wir im ZDF-Hauptstadtstudio bei einem Hintergrundgespräch mit den Verfassungsrechtler Paul Kirchhof (Foto). Es ging um die künftige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser ist politisch und kulturell so wichtig, dass jedermann zu seiner Finanzierung herangezogen werden kann, unabhängig davon, ob er die Angebote von ARD und ZDF nutzt, so Kirchhof. In einem Gutachten schlägt der ehemalige Verfassungsrichter vor, die bisherige Rundfunkgebühr durch eine Haushaltsabgabe zu ersetzen. Einen ausführlichen Bericht zum Thema finden sie hier.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Olafur Eliasson macht die Stadt unsicher


Die große Ausstellung Innen Stadt Außen von Olafur Eliasson im Martin-Gropius-Bau ist ein Lehrpfad für Flaneure. In den Installationen des Künstlers spiegelt sich Berlin auf sehr persönliche Weise. Auch als anonymer Street Artist hat der weltweit gefragte Künstler in den vergangenen Monaten Spuren im Stadtbild hinterlassen. Ein Ausstellungsbericht.

Dienstag, 4. Mai 2010

Stadtstart - Berlin als Berufsfeld


An der Technischen Universität gibt es das Center for Metropolitan Studies, dort werden Studenten auf den Einsatz im "Arbeitsfeld Stadt" vorbereitet. In der Vortragsreihe Stadtstart sind jeden Montag Leute zu Gast, die dort ihren Traumberuf gefunden oder auch selbst geschaffen haben. So wie Anselm Eckold, einer der Absolventen der letzten Jahre: Er hat sich inzwischen als Spezialist für historische und Architekturführungen in Berlin selbständig gemacht und mit seiner Lebensgefährtin das Unternehmen panorama-b gegründet. Michael Bienert kennt das Geschäft schon ein bisschen länger, er hat 1990 angefangen, bei StattReisen Berlin zu arbeiten und so ziemlich alles erlebt, was man als Stadtführer auf der Straße erleben kann. Gestern erzählten die beiden Stadtwanderer jüngeren Studenten von den Vorzügen der Arbeit an der frischen Luft, aber auch vom heftigen Konkurrenz- und Preiskampf in der Branche. Bei den weiteren Stadtstart-Veranstaltungen - immer montags, 16 Uhr - sind auch Zuhörer von außerhalb der Universität willkommen. Mehr

Montag, 3. Mai 2010

Kruzifixe im Reichstag


Vor den Fraktionssälen im Reichstagsgebäude stehen bunte Stellwände mit den Parteilogos, dort präsentieren sich Spitzenpolitiker den Kameras. In den Sälen der Unionsfraktion dominiert eine andere Symbolik: Über den Abgeordneten hängen Kruzifixe an der Wand - ein kleineres im Tagungsraum der Fraktionsführung (Foto rechts), ein größeres in dem Saal, der die ganze CDU/CSU-Fraktion fasst (Foto hier). Das rostbraune Gebilde stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Markus Daum, der in Radolfzell am Bodensee arbeitet. Es entspricht keiner der geläufigen Kreuzformen, ist asymmetrisch, krumm und schief wie ein Balkenrest aus einem zerstörten Fachwerkhaus. „Als öffentliche Erinnerung an Gott ist es ein Zeichen der Ermutigung gerade auch für Juden und Muslime, indem es zeigt, dass hier der Gott Abrahams nicht vergessen ist“, heißt es beruhigend auf der Fraktionshomepage. Möge niemand glauben, im Reichstag würde zu Kreuzzügen gegen Andersgläubige geblasen! „Auch im säkularen Umfeld erinnert das Kreuz daran, dass alle politischen Kämpfe des Tages immer nur um vorletzte Dinge geführt werden, dass unser Tun und Lassen nicht der letzte Grund des Seins ist“. Im Hauen und Stechen des politischen Alltags könnte der Blick zum Kreuz an der Wand segensreich sein, so gesehen. Weitere Kulturrepublik-Kolumnen finden Sie hier.

Samstag, 1. Mai 2010

Literaturfrühling


Im neuen literaturblatt sind wir diesmal mit drei Beiträgen vertreten: Elke Linda Buchholz schreibt über das Sich-Zurechtfinden in Rom mit Hilfe von Karten und Büchern, Michael Bienert über den Dichter Adelbert von Chamisso als Botaniker und Ernst Ludwig Kirchners Illustrationen zu Chamissos wunderbarer Geschichte von Peter Schlemihl. Ein in die Zeitschrift eingeheftetes Sonderheft ist dem Thema "Gärten der Kindheit" gewidmet: mit Originaltexten von Chamisso-Preisträgern wie Feridun Zaimoglu, Ilma Rakusa und Artur Becker. Online lesen können Sie den Rom-Beitrag und einen kritischen Überblick zu Neuerscheinungen aus Anlass des 250. Geburtstags von Johann Peter Hebel.