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Montag, 31. Januar 2011

Europeana

Der Große Krieg wirft seinen Schatten voraus. 2014 jährt sich der Beginn des „Great War“ oder „Grande Guerre“, wie der Erste Weltkrieg anderswo genannt wird, zum 100. Mal. Damit sich jeder Europäer selbst ein Bild machen kann, wie die Vorfahren mit Bajonetten und Giftgas übereinander herfielen, startet in diesem Jahre ein internationales Digitalisierungprojekt. Nationalbibliotheken aus acht Ländern stellen Material für die Europeana bereit, die gemeinsame Internetplattform der Bibliotheken, Archive und Museen. 5,4 Millionen Euro sollen in die Digitalisierung von 400.000 Dokumenten fließen: Soldatenbriefe, Schützengrabenzeitungen, Kriegskochbücher, Kinderbücher mit Kriegspropaganda, Fotos und Karten von den Schauplätzen des Gemetzels. Mitarbeiter der Berliner Staatsbibliothek hatten die Idee zu dem europäischen Verbundprojekt und kämpften sich beharrlich durch das komplizierte Antragsverfahren der Europäischen Kommission. Am Ende entschieden die Deutschen die Schlacht um die begehrten EU-Fördermillionen souverän für sich. - Weitere Kolumnen und Berichte aus der Kulturrepublik finden Sie hier.

Samstag, 29. Januar 2011

Ein Puzzle aus 27.000 Teilen

Tell Halaf? Der Name war fünfzig Jahre lang so gründlich vergessen, dass man eher an einen Karnevalsruf dachte als an einen Ort archäologischer Entdeckungen. "Tell" bedeutet "Hügel" - und davon gibt es viele in der syrischen Wüste. Und unter dem Tell Halaf entdeckte der Selfmadeforscher Max von Oppenheim 1899 Götterstandbilder und Tierreliefs, die sich als Meilensteine der Orientarchäologie erwiesen. Jetzt sind die Götter vom Tell Halaf wieder da - und lassen einen doppelt staunen. Lesen Sie den Ausstellungsbericht von Elke Linda Buchholz in der STUTTGARTER ZEITUNG.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Mundtot, aber nicht für immer

Das „Archiv unterdrückter Literatur in der DDR“ umfasst rund 150 Vor- und Nachlässe von Autoren, die in DDR-Gefängnissen schmorten oder sonst keine Chance hatten zu publizieren. Bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin können diese Zeugnisse eingesehen werden. Ein großer Teil stammt aus dem Nachlass der Stasi: Mielkes Mitarbeiter beschlagnahmten bei der Verhaftungen missliebiger Autoren ihre Manuskripte, um sie als Beweismaterial zu verwenden. Der Schriftsteller und langjährige Lektor Joachim Walther wurde darauf aufmerksam, als er nach der Wende im Auftrag der Gauck-Behörde die Stasiverstrickungen seiner Kollegen in den Akten erforschte. Zusammen mit Ines Geipel gründete er vor zehn Jahren das "Archiv unterdrückter Literatur". Beide sind auch Herausgeber der "Verschwiegenen Bibliothek" Texten aus dem Archiv. Heute werden sie für ihre Initiative mit dem renommierten Antiquaria-Preis für Buchkultur ausgezeichnet. Michael Bienert hat sie porträtiert. Mehr

Oppenheims Dschihad

Der Aufruf zum Heiligen Krieg kam aus Berlin: „El Dschihad“ prangt in großen Lettern auf einer während des Ersten Weltkriegs gedruckten Postille. Die Zeitschrift sollte an islamische Kriegsgefangene verteilt werden. Dahinter stand einer der besten Orientkenner seiner Zeit: Max Freiherr von Oppenheim. Heute werden seine im Zweiten Weltkrieg zerstörten und in den letzten Jahren wieder zusammengesetzten Grabungsfunde vom Tell Halaf auf der Museumsinsel der Öffentlichkeit präsentiert. Elke Linda hat den schillernden Max von Oppenheim für die Sonderseiten des TAGESSPIEGEL porträtiert. Zum Artikel

Dienstag, 25. Januar 2011

Wem gehört die Schöne?

Der Name Nofretete bedeutet: Die Schöne ist gekommen. Könnte die Büste der ägyptischen Königin womöglich wieder aus dem Neuen Museum in Berlin verschwinden? Vorstellen kann und will sich das niemand, auch nicht Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: "Die Nofretete ist und bleibt die beste Botschafterin Ägyptens in Berlin." Elke Linda Buchholz schreibt heute in der STUTTGARTER ZEITUNG über die Hintergründe der neuerlichen Rückgabeforderungen aus Ägypten. Lesen Sie mehr.

Montag, 24. Januar 2011

Glückssucher im Bundestag

Wachstum, Wachstum und noch mehr Wachstum, das könne so doch nicht ewig weitergehen, warnte der Club of Rome schon im Jahr 1972, denn die Erde und ihre Ressourcen seien begrenzt. Doch bis heute gilt Wachstum, gemessen an der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, als Hauptindikator für wirtschaftlichen und politischen Erfolg. Automatisch glücklicher fühlen die Leute sich dadurch freilich nicht. Und sogar die Folgekosten von Umweltkatastrophen treiben das Bruttoinlandsprodukt in die Höhe! Das kleine Königreich Bhutan hat weitsichtig schon vor dreißig Jahren statt Wachstum das Glück seiner Einwohner zur Richtlinie des Regierungshandelns erklärt. Es lässt die Zufriedenheit seiner Bürger durch ausführliche Befragungen statistisch erfassen. Ähnliches planen nun auch die Regierungen in Frankreich und England. Im Deutschen Bundestag hat vergangene Woche die Enquetekommission „Wirtschaft, Wohlstand, Lebensqualität" ihre Arbeit aufgenommen, die einen neuen Fortschrittsindikator definieren soll. Dabei soll laut Einsetzungsbeschluss die „subjektiv von den Menschen erfahrene Lebensqualität und Zufriedenheit" nicht zu kurz kommen. Wenigstens die Glücksforschung in Deutschland steht vor glücklichen Zeiten! Weitere Kolumnen aus der Kulturrepublik finden Sie hier (und jeden Montag in der STUTTGARTER ZEITUNG). Das Foto zeigt das futuristische Hauptfoyer des Paul-Löbe-Hauses, in dem die Ausschüsse des Parlaments tagen.

Sonntag, 23. Januar 2011

Wir globalisieren auch!

Die neuen Artikel über Literaturhäuser und Literaturarchive in Deutschland für die Onlineredaktion des Goethe-Instituts sind echte Renner. Sie wurden nicht nur sofort ins Englische bzw. Amerikanische übersetzt und auf die Websiten regionaler Institute übernommen, inzwischen gibt es auch Versionen in Polnisch, Niederländisch, Chinesisch und Indonesisch.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Tanz auf dem Vulkan

So heißt der 9-seitige, opulent bebilderte Essay über das Nachtleben im Berlin der 20er Jahre, den die Modemesse Bread & Butter bei uns in Auftrag gegeben hat. Er ist im Tradeshow Guide erschienen und auch online in Deutsch und Englisch nachzulesen (auf Seite 32ff.). Heute öffnet die Messe ihre Tore, gestern abend wurde in den Hangars des Flughafens Tempelhof noch aufgebaut, während nebenan im Cotton Club die Opening Party tobte: mit etwa 2000 Besuchern, Profiboxkämpfen, Roulette und Poker und einem Regierenden Bürgermeister, der den Rummel sichtlich genoss. Klaus Wowereit vergaß nicht, im Boxring daran zu erinnern, dass er die Entscheidung für die Ansiedlung der Modemesse auf dem Flughafen Tempelhof durchkämpfen musste - schließlich will er bald wiedergewählt werden.






Montag, 17. Januar 2011

Die Kartoffel kreist weiter

Wie kommt die Kunst unters Volk? Der Akademiepräsident und Plakatkünstler Klaus Staeck hat dafür seit Jahrzehnten eine eigene Strategie. Er verlegt Werke von Künstlern wie Beuys oder Jonathan Meese als Editionen zu erschwinglichen Preisen. Auch der 1941 geborene Sigmar Polke gehört zu seinem Portfolio, seit er in den sechziger Jahren mit seinen Rasterbildern unter dem ironischen Schlagwort "Kapitalistischer Realismus" bekannt wurde. "Er hat den Drucker, hat die Logistik, hat den Vertrieb und die Künstler", meinte Polke lapidar. Bis heute hat Staeck Grafiken von ihm im Angebot, übers Internet per Mausklick zu bestellen. Nicht ohne Stolz rollt der Verleger nun seine "Bilanz einer Künstler-Freundschaft" in einer Ausstellungshommage der Berliner Akademie der Künste auf. Jeden Zettel hat der manische Sammler Staeck aufgehoben. Etwa die Honorarabrechnungen Polkes, die der großer Improvisator mit raschem Stift auf Probeabzüge seiner Grafiken kritzelte und durch Zeichnungen und witzige Kommentare flugs in improvisierte Unikate verwandelte. Weiterlesen können Sie diesen Ausstellungsbericht auf der Internetseite der STUTTGARTER ZEITUNG.

Montag, 10. Januar 2011

Stillstand

„Die S-Bahn gehört zu unseren Intimitäten“, schrieb Uwe Johnson 1964 und warnte die Westberliner vor den verheerenden Folgen des S-Bahn-Boykotts, zu dem Senat und Gewerkschaften nach dem Mauerbau aufriefen. Der Boykott sollte die Deutsche Reichsbahn und Machthaber in Ostberlin treffen, das traurige Ergebnis war der Niedergang des einstmals modernsten Nahverkehrssystems der Welt. Nach der Wiedervereinigung wurden Milliarden im Berliner Schienennetz verbaut, um es wieder auf den Vorkriegsstand zu bringen. In diesem Winter steuert die S-Bahn zurück in die Vergangenheit: Es fehlt an einsatzfähigen Wagen und Personal, Strecken zum Stadtrand wurden letzte Woche komplett still gelegt, in der Innenstadt verkehren Züge so selten und sind derart überfüllt, dass man sie möglichst meidet. Berlin ohne funktionierende S-Bahn, das ist wie Stuttgart ohne Hauptbahnhof: ein Anschlag auf das Heimatgefühl der Hauptstadt. Eigentlich müssten die wütenden Berliner dem Stuttgarter Vorbild folgen und im Regierungsviertel massenhaft gegen die Verantwortlichen demonstrieren. Aber die Lage ist aussichtslos: Wie soll man dort ohne S-Bahn überhaupt hinkommen? - Mehr Kolumnen aus der Kulturrepublik finden Sie hier.

Sonntag, 9. Januar 2011

Berliner Aufklärung - zu verkaufen!

Vor 200 Jahren, am 8. Januar 1811, starb der Berliner Aufklärer, Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai. Pünktlich zu diesem Datum hat der Berliner Senat Nicolais Haus in der Brüderstraße 13 räumen lassen und dem Liegenschaftsfonds übergeben, der es an einen privaten Nutzer verkaufen soll. Das Geld ist bereits für die Erweiterung des Stadtmuseums eingeplant. Aber darf man so mit dem wichtigsten Berliner Baudenkmal der Berliner Aufklärung umgehen? Bis in die Nazizeit erinnerte dort das Lessing-Museum auch an die produktive Freundschaft Nicolais mit Lessing und Moses Mendelssohn. Welche Verdienste sich Nicolai um Berlin und die deutsche Literatur erworben hat und warum der Umgang mit seinem Haus mehr Fingerspitzengefühl verdient, lesen Sie heute - auf einer ganzen Zeitungsseite - im gedruckten TAGESSPIEGEL und online.

Freitag, 7. Januar 2011

Stein des Anstoßes: Vorschau auf das Kleistjahr 2011

Schön ist der graue Granitquader nicht. Und das Geburtsdatum auf dem Grabstein Heinrich von Kleists ist falsch. Das sagen zumindest maßgebliche Kleist-Forscher; der Dichter selbst habe seinen Geburtstag am 10. Oktober gefeiert. So hielten es auch seine Verehrer, bis 1876 ein Kirchenbucheintrag auftauchte. Demnach kam Kleist erst acht Tage später in Frankfurt/Oder zur Welt. Auch amtliche Dokumente können irren, doch in der Nazizeit, als der Grabstein erneuert wurde, waren solche Zweifel unerwünscht: Der 18. Oktober 1777 wurde in Stein gemeißelt. Kein Hinweis auf den Suizid an genau dieser Stelle am Kleinen Wannsee, keiner auf die Freundin Henriette Vogel, die Kleist erschoss, bevor er sich selbst die Pistole in den Mund steckte. "Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein!" - ein Zitat des von den Nazis besonders geschätzten Prinzen von Homburg wurde als Grabinschrift missbraucht. Der Stein muss weg! Das jedenfalls ist die ganz persönliche Meinung des Präsidenten der Kleist-Gesellschaft, des Kölner Literaturprofessors und Kleist-Biografen Günter Blamberger... - Lesen Sie mehr über den Streit um das Kleistgrab und die vielen Veranstaltungen zum Kleistjahr in der Onlineausgabe der Stuttgarter Zeitung von heute.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Brechts Notizbücher 1927-1930

"Hier ist eine Welt, / sie ist / in Unordnung. / -- / -- / Wer also ist bereit + / Ordnet sie?“, kritzelt der 30-jährige Bertolt Brecht in sein Notizbuch (Abbildung rechts). Nachträglich schreibt er "1. Chor" darüber, weiter unten auf dem Blatt deuten die Buchstaben "RL" an, dass Rosa Luxemburg dem Chor antworten sollte. Jahrzehntelang plante Brecht ein Stück über die Mitbegründerin der KPD, das nie fertig wurde. Die Notizen von 1928 lassen sich als möglicher Anfang und Endpunkt eines kommunistischen Lehrstücks lesen; auf dem zweiten Blatt skizzierte Brecht: "2. Chor / Also ist beschlossen dein / Schicksal: du / wirst sterben / -- / Wirst du jammern wenn / sie dich töten? / RL / Nein".
In der Zählung des Brecht-Archivs trägt das Notizbuch die Nummer 24, Brecht selbst hat erst eine 1 auf den Vorsatz gemalt und später eine 8 daraus gemacht. "Fatzer" steht oben auf der ersten Seite, denn ursprünglich war das in schwarzes Kunstleder gebundene Heft für ein anderes, später aufgegebenes Projekt reserviert; es füllte sich dann mit Telefonnummern, Keunergeschichten, Skizzen für die 1928 unter großem Zeitdruck zur Uraufführung gebrachte "Dreigroschenoper" und Material für weitere Stücke, Gedichte, Projekte. Weiterlesen

Montag, 3. Januar 2011

Das Menzeldach der Humboldt-Universität

Hätten Sie gedacht, dass es so über dem Audimax und unterm Dach der Berliner Humboldt-Universität ausschaut? Dort hat Elke Linda Buchholz die Künstlerin und Professorin Ruth Tesmar aufgespürt und für den Tagesspiegel porträtiert. Studenten lernen bei ihr Aktzeichnen und alte künstlerische Techniken. - Weitere Feuilletons über verwunschene Orte finden Sie in unseren Büchern über Stille Winkel in Berlin und Potsdam.

Schneetreiben in der Kulturrepublik

„Wie wenn tagelang feine, dichte Flocken vom Himmel niederfallen, bald die ganze Gegend von unermesslichem Schnee zugedeckt liegt, werde ich von der Masse aus allen Ecken und Ritzen auf mich andringender Wörter gleichsam eingeschneit“, schreibt Jacob Grimm 1854 im ersten Band des „Deutschen Wörterbuchs“. Er starb über der Bearbeitung des Wortes „Frucht“, aber das Projekt überlebte ihn wie seinen Bruder. Vor 50 Jahren, im Januar 1961, lieferte der Stuttgarter Hirzel Verlag den letzten Band aus, das alphabetische Verzeichnis schloss mit dem Wort „Zypressenzweig“. Natürlich waren zu diesem Zeitpunkt die ersten Bände von der Sprach- und Wissenschaftsentwicklung längst überholt, in Ostberlin und Göttingen hatten Forscherteams schon wieder damit begonnen, Wortbelege von A bis F zu sammeln und zu sortieren. Das Schneetreiben wurde jedoch immer undurchdringlicher. Das Archiv der Berliner Arbeitsgruppe umfasst heute allein drei Milllionen Belegstellen für die Buchstaben A bis C. Im Jahr 2012 soll das Grimmsche Wörterbuch bis zum Buchstaben F renoviert sein, danach wird die Arbeit definitiv eingestellt. Der Grund für die Kapitulation: So uferlose Forschungsprojekte finden heutzutage keinen Geldgeber mehr. - Die Montagskolumne Kulturrepublik geht mit diesem heute in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienenen Text ins dritte Jahr! Wir wünschen allen Lesern, dass es ein gutes Jahr wird!