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Freitag, 15. Juni 2012

Im Theater (35): "Der Geizige" mit Martin Wuttke an der Volksbühne

Die Bretterbude in der Volksbühne,
 Schauplatz der Molière-Trilogie
Die gute Nachricht zuerst: Martin Wuttke, der sich vor einer Woche kurz vor dem ursprünglichen Premierentermin krank meldete, ist wieder bei Kräften. Von einem Burn-Out war in manchen Zeitungen schon die Rede, aber sechs Tage nach dem Kräftezusammenbruch spielte er den "Geizigen" von Molière so quietschfidel, als wäre nichts geschehen. Weniger gut steht es um das große Molière-Projekt der Volksbühne, bei dem Wuttke nacheinander drei Hauptrollen in drei Stücken spielt. Vor zwei Wochen startete es mit "Der eingebildete Kranke" in Wuttkes eigener Regie, das Ergebnis war so lala (die ausführliche Kritik lesen Sie hier). "Der Geizige" in Frank Castorfs Regie ist vor allem - sehr viel länger.
Mit bravem Chargentheater fängt der Abend an, in derselben Rummelplatz-Guckkastenbude, die schon den Rahmen für den "eingebildeten Kranken" bildete. Mit uferlosen, verwackelten, lausig einstudierten Video-Liveübertragungen schreiender Schauspieler von der Hinterbühne geht die Inszenierung nach über vier Stunden zuende, da hat es vielen Zuschauern gereicht, sie räumten scharenweise die Reihen. Solche Passagen hat Wuttke weit eleganter inszeniert. Bei Castorf läuft die Inszenierung zum Schluss vollkommen aus dem Ruder und es ist auch keine Linie - wozu das Ganze? - mehr erkennbar. Schauspielerisch überzeugen neben dem Kobold Wuttke (als Harpagon) vor allem Kathrin Angerer (als Kupplerin Froisine) und Sophie Rois (als Harpagons Koch und Kutscher). Lilith Stangenberg (Elise), Maximilian Brauer (Valère), Franz Beil (Cleánte) und Irina Kastrinidis (Mariana) wirken oft zu Albernheiten und Grimassen gezwungen. Das vierschrötige Urgestein Volker Spengler (Meister Simon) ist wie immer eine Nummer für sich. Es gibt nur wenige wirklich entfesselte Momente an diesem quälend langen Castorf-Abend. Beim dritten geplanten Molière-Abend mit Wuttke als Don Juan, den René Pollesch inszenieren soll, kann es eigentlich nur noch besser werden.

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