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Montag, 17. September 2012

Im Theater (39): Martin Wuttke in René Polleschs "Don Juan" an der Volksbühne

Don Juan ist Kettenraucher. Damit er keine Aschekrümel auf der Bühne hinterlässt, trägt ein Mitspieler immer einen weißen Blecheimer hinter ihm her. Das Laster hat es wirklich nicht leicht heutzutage! Es wird eingehegt, überwacht, von Gesundheitsaposteln mit Warnaufklebern versehen oder gleich ganz verboten. Mag ja sein, dass Rauchen das Leben verkürzt, aber für einen Don Juan ist das schon gar kein Grund damit aufzuhören: "Lange zu leben, das ist doch kein Leben!'

Streitfall Gemäldegalerie: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf dem Weg vom Wünschbaren zum Machbaren


In der STUTTGARTER ZEITUNG von heute resümiert Michael Bienert den Sommerstreit über eine Umzug und Neubau für die Gemäldegalerie am Kulturforum. Bereits im Juni hatte er darüber berichtet. Jetzt will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auch Alternativen prüfen lassen, um die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum zu präsentieren.

Caravaggio statt Container:
Hier soll eine neue Gemäldegalerie
gebaut werden. Foto: Bienert
Die leeren Transportkisten am Eingang des Neubaus verraten: Es wird eingeräumt. Ende Oktober soll das Archäologische Zentrum der Stuttgarter Architekten Joel Harris und Volker Kurrle neben der Berliner Museumsinsel eingeweiht werden. Der ziegelbraune kantige Baukörper verschließt sich neugierigen Blicken, so hoch sind die vertikalen Fensterschlitze angebracht. Ein Zweckbau für Museumsverwaltung, Restaurierungswerkstätten und Bibliothek, bei dessen Entwurf die Architekten Rücksicht auf eine Fata Morgana nehmen mussten. Nebenan, wo jetzt Parkplätze markiert und Container für Bauleute aufgestapelt sind, existiert in den Köpfen der Berliner Museumsdirektoren längst eine neue Gemäldegalerie mit den Spitzenwerken von Caravaggio, Rubens und Rembrandt.

Mittwoch, 12. September 2012

Mäuseskizzen, Eisensessel, Freiheitsdom

In der STUTTGARTER ZEITUNG ist heute der ausführliche Bericht von Elke Linda Buchholz über die Ausstellung Karl Friedrich Schinkel - Geschichte und Poesie am Kulturforum erschienen.

Moskau brennt! Dichte rote Rauchschwaden ziehen über den Kreml. Sie bewegen sich wirklich auf diesem Monumentalgemälde, ebenso wie die im Vordergrund mit Sack und Pack flüchtenden Einwohner. Dann fällt der Vorhang, das aufgeregte Stimmengewirr ebbt ab, die Show ist vorüber. Das Berliner Publikum von 1813 war begeistert. Jetzt ist Karl Friedrich Schinkels optisch-mechanisches Schaubild in einer Rekonstruktion zu erleben. Weiterlesen

Dienstag, 11. September 2012

Im Theater (38): Ibsens "Volksfeind" an der Schaubühne

Wo es um Wirtschaftsinteressen geht, hört die Demokratie auf. „Als Angestellter hast Du kein Recht auf eine eigene Überzeugung“, faucht der Chef des städtischen Kurbades den Badearzt an. Wer den Dienstweg verlässt und Hierarchien unterläuft, fliegt raus! Doch die Warnung kommt zu spät: Doktor Stockmann hat schon ein Gutachten an die Presse gegeben, wonach die Kurgäste in vergiftetem Wasser baden. Wenn das rauskommt, muss der einzige lukrative Betrieb der Stadt für zwei Jahre schließen und die Bürger müssen neue Wasserleitungen bezahlen. Ein Alptraum für den Chef des Kurbades, der als Stadtrat wiedergewählt werden will.

Samstag, 8. September 2012

Ein neues Buch über die Glanzzeit der Friedrichstraße

Harald Neckelmann:
Friedrichstraße Berlin.
Berlin Story Verlag, 19,80 EUR
Es gibt kaum noch ein Nachtleben auf der Friedrichstraße. In der Kaiserzeit und den Zwanziger Jahren war das anders, da strömten die Touristen und Einheimische aus der ganzen Stadt in die Amüsierlokale und Theater rund um den Bahnhof Friedrichstraße - nur der Admiralspalast erinnert noch daran. Weibliche und männliche Prostituierte bevölkerten die Straße und später in der Nacht verwandelte sich die Gegend mit "hin und her schaukelnden Droschken und Automobilen in ein einziges saftiges Beilager", so zitiert Harald Neckelmann den Dramatiker Carl Sternheim. Neckelmanns neues Buch ist ein Spaziergang in (ausführlich kommentierten) Fotografien durch die Friedrichstraße, wie sie vor ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg aussah, einmal die 3,3 Kilometer rauf und wieder runter zwischen Halleschem und Oranienburger Tor. Weiterlesen

Donnerstag, 6. September 2012

Lebensfluten - Tatensturm

Michael Bienert hat die neue Dauerausstellung im Museumsanbau des Goethe-Hauses (Foto) besichtigt und berichtet darüber heute in der Stuttgarter Zeitung:
Goethe schrieb nicht gern mit Tinte und Feder. Das Kratzen auf dem Papier und die Tintenkleckserei störten seinen Gedankenfluss, lieber skizzierte er Einfälle mit dem Bleistift oder diktierte einem Schreiber. Mit Papier ging er sparsam um, für Konzepte benutzte Goethe gerne zerschnittene Theaterzettel. Auch Briefe an Freunde diktierte er meist. Um die Nachfrage nach Goethe-Autographen zu befriedigen, ließ er um 1820 handgeschriebene Verse lithografieren und verschenkte diese Blätter. Der Gedanke, dass Goethe an der Copy-and-Paste-Funktion eines Laptop-Computers seine helle Freude gehabt hätte, stellt sich beim genauen Blick auf seine Schreibwerkzeuge und Manuskripte von selbst ein. Weiterlesen

Mittwoch, 5. September 2012

Mythos Olympia - Kult und Spiele im Martin-Gropius-Bau

Elke Linda Buchholz über die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, erschienen am 5. September 2012 in der STUTTGARTER ZEITUNG:
Leichtfüßig ist Nike im Lichthof gelandet. Kaum berühren ihre Zehen den Boden, so schwerelos hat der antike Bildhauer Paionios sie geformt. Das Abbild der Siegesgöttin ziert die aktuellen Medaillen der Olympiasieger von London. Das Original stand auf einem hohen Pfeiler vor dem Zeustempel im antiken Olympia. In Berlin ist sie nur als Gipsabguss zu sehen: trotzdem schön. Auch die Monumentalreliefs vom Giebel des Tempels, auf denen der Wagenlenker Pelops seinem Konkurrenten entgegentritt, wurden mit Abgüssen rekonstruiert.

Geschichte und Poesie: die Schinkel-Ausstellung am Kulturforum

Von Schinkel entworfene Stühle in der
Ausstellung am Kulturforum
Die Mitte Berlins trägt die Handschrift Karl Friedrich Schinkels, mit dem Schauspielhaus, der Neuen Wache, der Schlossbrücke, dem Alten Museum, der Bauakademie und der Friedrichswerderschen Kirche hat er Spree-Athen nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon ein neues Gesicht gegeben. Die große Schinkel-Ausstellung des Kupferstichkabinetts am Kulturforum hält sich damit nicht lange auf: Sie folgt dem Architekten auf seine Reisen nach Ostpreußen und ins Rheinland, nach Italien und England, wo er antike Bauten und Fabriken skizzierte, zeigt ungebaute Entwürfe für einen Freiheitsdom in Berlin und Paläste auf der Akropolis und der Krim. Als Bühnenbildner wollte Schinkel die Aufführungspraxis reformieren, als Designer lieferte er hinreißende Vorlagen für die preußische Möbelindustrie.

Sonntag, 2. September 2012

Im Theater (37): Ödipus Stadt im Deutschen Theater

Es ist ja nicht so, dass der Start der neuen Theatersaison automatisch Hochgefühle im Kritiker auslöst. Wir werden wieder viel Halbgares, Überwürztes und Ungenießbares verkosten müssen - wozu eigentlich? Umso größer das Glück, wenn die ersten dreißig, vierzig Theaterminuten der beginnenden Spielzeit einem richtig Lust machen: In dieser kurzen Zeitspanne spielt Ulrich Matthes das ganze Drama des thebanischen Königs, Vatermörders und Muttergatten Ödipus so hellklar, dass es eine Offenbarung ist. So ohne Zuviel, ohne Schnickschnack, ohne jeden billigen Effekt, so hingegeben an die Sprache und die Figur könnte es Stunden und Tage weitergehen, ohne dass sich die Frage stellt: Was mache ich hier eigentlich?