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Donnerstag, 31. Januar 2013

Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Tauchgang - Der Bau der James-Simon-Galerie verzögert sich

Auch die Baustelle der James-Simon-Galerie
wird zum Millionengrab. 

Von Elke Linda Buchholz. Im sumpfigen Terrain der Museumsinsel finden die Bauarbeiter keinen festen Grund. Bereits seit 2009 wird vor der Fassade des Neuen Museums mit schwerem Gerät gebuddelt und gebaggert, aber wirkliche Fortschritte sind nicht zu erkennen. Eigentlich sollte bereits dieses Frühjahr der Grundstein für das neue Empfangsgebäude der Museumsinsel, die James-Simon-Galerie, gelegt werden. Ursprünglich war gar eine Eröffnung 2014 anvisiert. Doch daraus wird nichts, wie Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auf der Jahrespressekonferenz der Stiftung, zugab. Frühestens ab Ende 2017 können die Besucher die große Freitreppe des prestigeträchtigen Bauwerks emporströmen, durch die schlanken Kolonnaden auf den Kupfergraben blicken und im Museumscafé Platz nehmen. Als Funktionstrakt mit Garderoben, Auditorium und Sonderausstellungsbereich ist der Glas- und Betonsteinbau, den Architekt David Chipperfield entworfen hat, für die Museumsinsel mit ihren jährlich fast 3 Millionen Besuchern unverzichtbar.

Mittwoch, 30. Januar 2013

Merkel und Wowereit in der Topographie des Terrors

In der "Topographie des Terrors" eröffneten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Ausstellung Berlin 1933 - Der Weg in die Diktatur. Was sie gesagt haben, darüber schreibt Michael Bienert im Tagesspiegel.

Terror und Tourismus - Zum Start des Themenjahres "Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938"

Monatelang lauerten Hitler und seine Getreuen im Hotel Kaiserhof auf ihre Chance. Die provisorische Parteizentrale der NSDAP lag am Wilhelmplatz, gegenüber der Reichskanzlei, wenige Schritte vom Amtssitz des greisen Reichspräsidenten entfernt. Als Hindenburg am 30. Januar 1933 mittags ein neues Kabinett mit Hitler an der Spitze vereidigte, waren alle überrascht, auch die Beteiligten. „Wir sitzen in der Wilhelmstraße. Hitler ist Reichskanzler. Wie ein Märchen“, notierte Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels atemlos in sein Tagebuch. Kaum jemand glaubte, dass die heimlich ausgekungelte Regierungsmannschaft sich lange würde halten können.
  
Die Schauplätze des historischen Tages liegen ganz nah beieinander. In der Wilhelmstraße gibt es Informationstafeln zu allen verschwundenen Regierungsgebäuden und doch fällt es schwer zu glauben, was hier geschah. Denn die DDR-Oberen taten alles, um im ehemaligen Regierungsviertel ein Gedenken an die Naziherrschaft zu verhindern. Die Reste von Hitlers Reichskanzlei wurden schon bald nach dem Krieg restlos abgetragen, die ehemalige Regierungsstraße des Deutschen Reiches von Wilhelm- in Grotewohlstraße umbenannt. Kurz vor dem Mauerfall entstand ein harmlos anmutendes Wohnquartier aus Plattenbauten für DDR-Prominenz zu beiden Seiten der ehemaligen Regierungsstraße. Sie wurde in den Neunzigern in Wilhelmstraße rückbenannt und mit Infotafeln bestückt, seit gut einem Jahr ragt an der Stelle der verschwundenen Reichskanzlei weithin sichtbar eine Skulptur in der Himmel, die dem Gesichtsprofil des Hitler-Attentäters Georg Elser nachgebildet ist.

Dienstag, 29. Januar 2013

"Berlin 1933 - Der Weg in die Diktatur" - die Ausstellung der Topographie des Terrors

Kellerreste der Gestapo-Zentrale
an der Niederkirchnerstraße
Von Michael Bienert Den Bildern ist nicht zu trauen. Die Foto- und Filmdokumente aus der NS-Zeit, mit denen uns die Medien dieser Tage bombardieren, sind allesamt vorzensiert durch den nationalsozialistischen Propagandaapparat. Bis heute übt er eine unheimliche Herrschaft über das kollektive Erinnern an den 30. Januar 1933 aus. Das meistzitierte Bildmotiv ist ein Fake: Der nächtliche Fackelmarsch uniformierter Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor wurde einige Monate später nachgedreht. Weiterlesen im Tagesspiegel

Dienstag, 22. Januar 2013

Die größte Ruinenstadt der Welt - Samarra im Museum für Islamische Kunst


Von Elke Linda Buchholz Die einstmals größte Stadt der islamischen Welt schrumpft im Berliner Museum für Islamische Kunst auf einen einzigen Raum zusammen. Gut ein halbes Dutzend Vitrinen, dazu großflächige Stuckreliefs, historische Grabungsfotografien und eine drei Meter hohe Landkarte des antiken Stadtareals am Tigris, das muss reichen für "Samarra - Zentrum der Welt". Mehr Platz ist nicht für die nördlich von Bagdad 836 als neue Residenz der Abbasidenkalifen aus dem Boden gestampfte Metropole. "Oder wollen Sie die Umaiyaden rausschmeißen?" fragt Kuratorin Julia Gonnella sarkastisch mit Blick auf die nebenan präsentierten Elfenbeinschnitzereien der Vorgängerdynastie. Dringend braucht der Rundgang durch die islamischen Kulturen vom 7. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert mehr Platz, zumal der Publikumsansturm sich in den letzten drei Jahren verdoppelt hat. Viele der jährlich 700 000 Besucher sind Einheimische mit Migrationshintergrund, die hier ihre eigenen kulturellen Wurzeln suchen, wie Museumsdirektor Stefan Weber berichtet. Sein Museum steht aufgrund seiner traditionell kunsthistorischen Präsentation der Bestände auch in der Kritik. Neue Vermittlungsformen und Fragestellungen müssen erprobt werden. Auch dazu ist die Samarra-Ausstellung da. Denn 2019 soll in dem dann sanierten Nordflügel des Pergamonmuseums die dreifache Fläche für die Sammlungspräsentation zur Verfügung stehen.

Montag, 21. Januar 2013

Gedenktafeln in Berlin

2833 Gedenktafeln verzeichnet die Internetseite Gedenktafeln in Berlin, die heute freigeschaltet wurde - gut tausend mehr als das 1997 gedruckte Standardwerk Das Gedächtnis der Stadt von Holger Hübner, das immer griffbereit in der Nähe des Schreibtischs steht. Wir freuen uns sehr über dieses neue Rechercheinstrument, insbesondere über das Verzeichnis der verschwundenen Gedenktafeln, das auf Lücken im Gedenk-Text der Stadt hinweist: Einen sichtbaren Hinweis auf das Atelier des Kupferstechers und Malers Daniel Chodowiecki in der Behrenstraße vermissen wir schon lange (vor dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Gedenktafel). Und eine 2008 abgenommene Tafel für Arno Holz im Wedding wurde bisher nicht wieder angebracht.

Freitag, 18. Januar 2013

Showroom der Buchgeschichte

Das Buch- und Schriftmuseum in Leipzig erhält den Antiquaria-Preis für Buchkultur. Michael Bienert hat sich die im vergangenen Jahr neu eröffnete Dauerausstellung Zeichen - Bücher - Netze angesehen.

Ich bin ein Haus der Bücher! Das ruft die Gebäudeskulptur der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler jedem zu, der an der Leipziger Haltstelle “Deutsche Nationalbibliothek” aus der Straßenbahn steigt. Wie ein lockerer Buchumschlag umfängt das Aludach die vier Obergeschosse, die an einen Buchblock erinnern. Unter dem fensterlosen Buchrücken zieht sich eine lange Glasfront an der Straße entlang, dort ist das Buch- und Schriftmuseum untergebracht. Oder? Der Besucher muss das Gebäude erst halb umrunden, um sicher zu sein. Erst am Deutschen Platz in Sichtweite des kaiserzeitlichen Haupteingangs der Bibliothek findet sich endlich eine beschriftete Drehtür, die hinter den glatten Glasvorhang führt. Weiterlesen

Donnerstag, 17. Januar 2013

Im Theater (44): "Der Tod in Venedig" an der Schaubühne


Die Schaubühne am Premierenabend
Foto: Bienert
Heute würde man es ein Burnout-Syndrom nennen, was Gustav Aschenbach nach Venedig treibt, wo er endgültig die Kraft verliert, weiter den Dichterfürsten und das moralische Vorbild zu spielen. In der Künstlernovelle „Der Tod in Venedig“ erzählt Thomas Mann von einem Zusammenbruch, ausgelöst durch das unheilvolle Zusammenspiel von jahrelanger Selbstüberforderung und dem biologischen Altern, das ein Weiterso unmöglich macht. Peinlich und peinigend, dass der alternde Schriftsteller eine pädophile Neigung an sich entdeckt, die sich in der süßen Muße des pflichtvergessenen Touristendaseins zur Obsession auswächst. Diese Geschichte ist immer noch spannend - immerhin leben wir in einer alternden Gesellschaft -, spannender als die endlos erörterte Frage, ob Thomas Mann damit eine eigene verkappte Homosexualität eingestanden habe oder nicht.

Dienstag, 8. Januar 2013

Die Witwe Robert Enkes geht juristisch gegen das Maxim-Gorki-Theater vor

Die Witwe des Torwarts Robert Enke, der sich 2009 das Leben nahm, geht juristisch gegen das Maxim-Gorki-Theater vor. Intendant Armin Petras brachte im Mittelteil seiner Inszenierung Demenz, Depression und Revolution am vergangenen Samstag eine Geschichte von tödlich verlaufender Depression auf die Bühne, die offenbar durch den Fall Enke inspiriert war. Dazu erklärte das Theater heute abend: "Sollten durch unsere Aufführung die Gefühle von Frau Enke verletzt worden sein, bedauern wir dies außerordentlich. Dem Maxim Gorki Theater und dem Team um den Regisseur Armin Petras ging es ausschließlich darum, an dieser Stelle das persönliche Schicksal Enkes und seines Krankheitsbildes in einen archetypischen und damit allgemeingültigen Fall zu überführen und sich auf diesem Weg mit der Krankheit Depression künstlerisch auseinanderzusetzten und das Ergebnis zur Diskussion zu stellen. Den an einer Depression Erkrankten wird in unserer Inszenierung Hochachtung und Respekt entgegengebracht, wie sich auch der Premierenberichterstattung entnehmen lässt. Dem Maxim Gorki Theater ist es ein wichtiges Anliegen alle durch das Theaterstück entstandenen Probleme und Fragen einvernehmlich mit Frau Enke zu klären und zu einer Lösung beizutragen. Bis eine solche gefunden ist, verzichtet das Maxim Gorki Theater bis auf weiteres auf die Ansetzung des zweiten Teils der Aufführung." Als Augenzeuge der Premiere kann ich bestätigen, dass die Inszenierung keineswegs den Eindruck erweckte, hier werde das Schicksal Robert Enkes und seiner Familie ausgeschlachtet oder grob damit umgegangen. Allerdings hätte das Theater den Kontakt zur Witwe früher suchen sollte. Als ein Buch über die Krankheit ihres Mannes erschien, hat sie die Film- und Theaterrechte ausdrücklich ausgeklammert, damit nicht passiert, was jetzt passiert ist: dass jemand ihre Geschichte auf die Bühne oder ins Fernsehen bringt, ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Das hätte das Theater zur Kenntnis nehmen müssen. Schade, wenn nun die absolut diskussionswürdige Inszenierung nach einer einzigen Vorstellung von der Bühne verschwindet bzw. nur noch als Torso zu sehen ist.

Montag, 7. Januar 2013

Im Theater (43): Demenz, Depression und Revolution am Maxim-Gorki-Theater

Auf dem Sprung von Berlin nach Stuttgart:
Armin Petras alias Fritz Kater
Foto: Bienert
Ein weißes Bündel liegt links auf der leeren Bühne, die mit einem fadgrünen halbhohen Samtvorhang ausgeschlagen ist. Der Mann in der langen weißen Unterwäsche ist ein aussichtsloser Pflegefall. Mit Mühe kann er noch aufstehen, aber dann muss man sich gleich Sorgen machen, dass er irgendwas umrennt oder sich verletzt. Dinge klar erkennen, zielstrebig handeln, mit anderen Menschen ein Gespräch anfangen, sich verständlich äußern - das war einmal. Früher hieß so etwas Altersschwachsinn, heute pseudowissenschaftlich Demenz. Schreckbild einer Gesellschaft, die statistisch immer älter wird. Kehrseite des medizinischen Fortschritts, der dafür sorgt, dass immer weniger Leute wegsterben, ehe der Tod auf Raten beginnt. Die Gesellschaft ist darauf schlecht vorbereitet. Wer sich um einen Angehörigen mit Gedächtnisverlust kümmert, kann seine Lebens- und Karrierepläne vergessen. Der Staat zieht sich aus der Affäre, indem er seit Januar jedem 60 Euro zuzahlt, der eine private Pflegeversicherung abschließt. Wieder wird ein drängendes Problem der Gesamtgesellschaft privatisiert.
Wenn das Theater sich als Ort der Selbstaufklärung einer Gesellschaft versteht, dann gehört das Thema Demenz auf die Bühne, keine Frage. Aber wie? Armin Petras, der künftige Chef des Stuttgarter Staatsschauspiels, ist nicht der Intendant, der reflexartig Shakespeares „König Lear“ auf den Spielplan setzt und die Theatermaschinerie einfach weiterlaufen lässt. Er hat mit seinen Schauspielern ein Geriatriezentrum in Berlin besucht und sie in Alterssimulationsanzüge schlüpfen lassen, um herauszufinden, wie man sich hilft, wenn die Gelenke, Muskeln und Augen versagen. Bei seinem Alter Ego, dem Dramatiker Fritz Kater, gab der Regisseur Armin Petras ein Stück zum Thema Demenz in Auftrag. Fritz Kater lieferte eine Collage aus kleinen Versatzstücken, gespeist aus Erfahrungsberichten und Demenzdiskurssplittern.