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Sonntag, 30. März 2014

Die letzten Tage der Tante Voss

Am 31. März 1934 erschien die letzte Ausgabe der Vossischen Zeitung. Bis zuletzt sperrten sich die Verlegerfamilie Ullstein und die Redaktion gegen die Gleichschaltung der Zeitung durch die Nationalsozialisten. Auf einer ganzen Seite erzählt Michael Bienert im TAGESSPIEGEL, wie es mit der ältesten Zeitung Berlins zu Ende ging.
Hier können Sie den Artikel online lesen.

Dienstag, 4. März 2014

Die Amerikanischen Reisetagebücher Alexander von Humboldts bleiben dauerhaft in der Staatsbibliothek

Alexander von Humboldt
Quelle: Wikimedia
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat Alexander von Humboldts Amerikanische Reisetagebücher erworben. Er verfasste sie teils in deutscher, teils in französischer Sprache während seiner großen Entdeckungsreise durch Mittel- und Südamerika in den Jahren 1799 bis 1804. Diese einmaligen und international höchst bedeutenden historischen Schriften gelten als die zweite, die wissenschaftliche Entdeckung Amerikas. Es handelt sich um knapp 4000 Seiten, dicht beschrieben und mit eigenhändigen Skizzen Humboldts versehen. Dazu fand heute ein Festakt in der Staatsbibliothek statt, bei dem Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte:
„Alexander von Humboldts Tagebücher sind zu Hause, endlich hier in Berlin angekommen! Heute feiern wir die Rückkehr seiner Reisetagebücher nach Berlin. Sie sind so außerordentlich wertvoll, weil sie vor allem ein überaus sympathischer, weil weltläufiger und zutiefst menschlicher Teil unseres Preußischen Erbes sind. Am zentralen Ort der Republik und in stadträumlichen Bezug zu unserem eigenen kulturellen Erbe auf der Museumsinsel wird das Humboldt-Forum ein gewichtiger Bote unseres Selbstverständnisses als Kulturnation am Beginn des 21. Jahrhunderts. `Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben`, so soll Alexander von Humboldt einmal gesagt haben. Mit dem Humboldt-Forum wollen wir genau diesem Geist der Ignoranz entgegen wirken“. Monika Grütters betonte weiter: „Der Erwerb der Humboldt-Tagebücher für die Staatsbibliothek war alles andere als einfach und zeigt exemplarisch: Wir müssen alles nur Erdenkliche unternehmen, um die Abwanderung national wertvollen Kulturguts ins Ausland zu verhindern. Deshalb werden wir noch in dieser Legislaturperiode ein neues Gesetz vorlegen, um Glanzstücke wie die Humboldt-Tagebücher für unsere Kulturnation und vor allem für kommende Generationen zu bewahren, zu schützen und zu sichern!“ Der Kauf der Reisetagebücher wurde durch die Unterstützung der Bundesregierung, sowie von öffentlichen und privaten Förderern ermöglicht.

Marmor mit Bürgersinn - Ausstellung zum 250. Geburtstag Johann Gottfried Schadows

Von Michael Bienert - Von seinem bekanntesten Werk ist nicht mehr viel übrig: Schadows Quadriga auf dem Brandenburger Tor ist eine Rekonstruktion. Zu viel haben die empfindliche Friedensgöttin und ihr Pferdegespann aushalten müssen, seit sie 1793 in luftiger Höhe aufgestellt wurden, um aller Welt zu verkünden: Berlin wird Spree-Athen! Als dreizehn Jahre später Napoleon durch das Brandenburger Tor in Berlin einzog, ließ er die Figurengruppe abmontieren und als Siegestrophäe nach Paris verschiffen. Oben ohne wurde das Tor zum deutschen Nationalsymbol. Als die Friedensgöttin nach den Freiheitskriegen zurückkehrte, drückte ihr der Preußen-Designer Karl Friedrich Schinkel eine Standarte mit dem Eisernen Kreuz in die Hand und machte aus ihr eine preußische Viktoria.

Sie sah siegestrunkene Militärkolonnen und fackelbewehrte Nationalsozialisten zu ihren Füßen paradieren und war am Ende des Zweiten Weltkrieges völlig zerschossen. Das wiederaufgebaute Brandenburger Tor stand seit 1961 im Todesstreifen zwischen Ost und West, in der ersten Silvesternacht nach dem Mauerfall wurde die Quadriga erneut schwer beschädigt. Seit der Sanierung darf die Göttin wieder wehrhaft das Eiserne Kreuz hochhalten, das in den DDR-Jahren fehlte.

Nur ein überlebensgroßer Pferdekopf aus Schadows Zeit ist noch erhalten. Das Prunkstück des Berliner Stadtmuseums liegt nun wie abgestürzt auf blutrotem Fußboden in der Sonderausstellung zum 250. Geburtstag seines Schöpfers. Der Maler Johannes Grützke hat dahinter wandfüllend ein weißes Laken mit einer groben Zeichnung aufgehängt: Schemenhaft erkennt man Soldaten, die Fleisch aus einem Pferdekadaver schneiden. Das Bild zitiert einen kolorierte Druck von 1813, der Truppen Napoleons auf dem Rückzug von Moskau zeigt. Es stammt nicht von Schadow, korrespondiert aber mit dessen eigenen Skizzen der Zeitereignisse. Auch Schadow publizierte antinapoleonische Karikaturen, vorsichtshalber unter fremdem Namen. Und als die ersten Kosaken aus Russland in Berlin auftauchten, war er sofort zur Stelle, um die exotisch gekleideten Befreier mit dem Zeichenstift zu begrüßen.

Sonntag, 2. März 2014

Im Theater (52): "Rico, Oskar und die Tieferschatten" im Atze Musiktheater

Foto: Atze Musiktheater
"Rico, Oskar und die Tieferschatten" von Andreas Steinhövel ist noch keine sechs Jahre auf dem Markt und schon ein Kinderbuchklassiker, wird von vielen Bühnen nachgespielt und soll pünktlich zu den Sommerferien als Film in die Kinos kommen. Die Musical-Adaption im Atze-Theater läuft nun auch schon gut ein Jahr mit großem Erfolg, die heutige Sonntagsvorstellung im großen Saal war annähernd ausverkauft und der Jubel am Ende groß. Zu Recht, denn die Inszenierung trifft genau den richtigen Ton bei ihrer Schilderung des Lebens in einem Kreuzberger Mietshaus in der Dieffenbachstraße - was einen schon fast ein bisschen wehmütig stimmt, werden doch solche  berlintypischen Existenzen mit großer Schnauze und wenig Geld in der Tasche dort gerade weggentrifiziert.
Blitzsauber inszeniertes Volkstheater mit gradliniger Rockmusik unterlegt, das wäre schon viel wert, unbedingt sehenswert wird die Aufführung durch die schauspielerische Leistung der beiden Darsteller von Rico (Iljá Pletner) und Oskar (Johannes Mörders). Was es heißt, "tiefbegabt" zu sein, keine richtige Schule besuchen zu können, sich in der Welt nicht zurechtzufinden und keinen Freund zu haben: Das lernen die jugendlichen Zuschauer ganz ohne moralischen Zeigefinger vor allem durch die ungezwungene Selbstverständlichkeit, mit der Pletner die Behinderung Ricos und seine alltägliche Auseinandersetzung damit spielt. Diese Glaubwürdigkeit strahlt auch auf alle um ihn herum aus. Etwa auf die Figur der allein erziehenden Mutter (Franziska Forster), deren modisches Styling für sich genommen ein Zeichen von Oberflächlichkeit wäre - durch Rico wird es als Strategie erkennbar, mit dem undankbaren Schicksal als Mutter eines schwer gehandicapten Sohnes fertig zu werden. Nicht nur als Kritiker, mehr noch selbst von einem ähnlichen Schicksal betroffener Vater wünsche ich dem Atze, dass diese kluge und herzerwärmende Aufführung noch lange auf dem Spielplan bleibt.

Mehr Infos und Aufführungstermine: http://www.atzeberlin.de