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Mittwoch, 23. Dezember 2015

Buddha am Drehort Staaken - Der Filmpionier Paul Wegener im Museum für Asiatische Kunst

Paul Wegener mit Buddha. Foto: smb
Von Elke Linda Buchholz - Als "Golem" geisterte er über die Leinwand, mächtig und unheimlich. Als "Student von Prag" nutzte er 1913 das noch junge Filmmedium zum abgründigen Doppelgänger-Spiel. Als "Großer Mandarin" strahlte er die Ruhe Buddhas aus: Den Schauspieler und Regisseur Paul Wegener kennt man als personifizierten Filmklassiker der Zwanziger Jahre in wechselnden Rollen, vor und hinter der Kamera, und in schillernden Kostümen quer durch die Zeiten und Erdteile. Dass er auch ein profunder Kunstsammler und Kenner ostasiatischer Kulturen war, zeigt jetzt eine Ausstellung im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem. Originale Filmplakate und Setfotos aus Paul Wegeners Schwarzweißfilmen versammelt sie mit imponierenden chinesischen Großskulpturen und zierlichen Statuetten aus Alabaster oder Bronze zu einer überraschenden Kabinettausstellung. Was Wegener damals im Herrenzimmer seiner Wohnung in der Binger Straße an Asiatika aufstellte, schenkte seine Witwe später teilweise dem Berliner Museum: darunter Spitzenstücke wie eine kapitale Luohan-Figur aus der Ming-Dynastie des 15. Jahrhunderts. Der überlebensgroße, vergoldete Buddhajünger zeigt sich darin so versunken und in sich ruhend, wie es Wegener wohl selbst anstrebte. Ihn faszinierte die asiatische Weisheit und Kunst derart, dass er sogar Vorträge darüber hielt. 1926 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Freundeskreises der Ostasiatischen Kunstsammlung. In Hamburg, Paris, Amsterdam und Bukarest jagte Paul Wegener asiatischen Preziosen für seine Sammlung hinterher. Ganz pragmatisch nutzte der Filmstar sie auch als Requisiten bei Dreharbeiten, etwa für den 1925 in der Zeppelinhalle Staaken gedrehten Stummfilm "Lebende Buddhas", in dem er neben Asta Nielsen auftrat. Ein damals im Film genutztes mannshohes Ritualgerät aus Kupferblech steht jetzt hier in der Vitrine. Der amibitionierte Buddha-Film Publikum floppte trotz aufwendiger exotischer Settings. Wegeners Asienbegeisterung tat das keinen Abbruch: Noch 1939 ließ er sich in seinem Berliner Haus beim meditativen Betrachten einer Buddhakopfes fotografieren. Wohlgefällig schaut ihm der große Luohan dabei über die Schulter.

Der große Mandarin
Paul Wegener, Pionier der Filmkunst und seine asiatische Kunstsammlung
Museum für Asiatische Kunst bis 20.3.2016
Infos und Öffnungszeiten

Samstag, 19. Dezember 2015

Leidet Venedig an Demenz? Salvatore Settis´ Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte

Foto: Elke Linda Buchholz
Von Elke Linda Buchholz - Salvatore Settis ist wütend. Der 74jährige Altmeister der italienischen Kunstgeschichte verfolgt die Lage Venedigs seit langem mit wachsender Besorgnis. Jetzt reicht es ihm. Nicht steigende Hochwässer, stinkendes Lagunenwasser, verfallende Gemäuer machen ihm Sorgen. Die eigentliche Bedrohung des kostbaren Stadtkörpers sieht er anderswo: in der rapiden Umwandlung einer bewohnten, lebendigen Stadtkommune in eine museale Kulisse mit Hotelfunktion, die letztlich nicht mehr wert ist als die überall auf der Welt emporschießenden Imitate. Ob "The Venetian" in Las Vegas oder in Macao, vielerorts kann man die Highlights der Lagunenstadt mittlerweile bewundern. Das echte, von normalen Menschen benutzte Venedig dagegen schwindet, ist schon fast nicht mehr existent. Bereits kursieren Pläne, auf einer vorgelagerten Insel ein "Veniceland" als historischen Themenpark für Touristen zu installieren. Der italienische Staat bietet sein historisches Erbe derweil scheibchenweise im Internet feil. Der Immobilienwert der Insel La Certosa etwa wurde 2010 auf gut 28 Millionen beziffert. Aber, so Settis, eine Stadt wie Venedig hat keinen Preis. Sie besteht auch aus Unsichtbarem, ist Erinnerung, Erfahrung, Allgemeinbesitz: Kulturgut eben.
Was würde, fragt Settis, Dantes "Göttliche Komödie" oder Michelangelos "Jüngstes Gericht" dem Staatshaushalt an Dividende einbringen? Mit seiner jetzt auf deutsch erschienenen "Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte" erweitert der Gelehrte einen 2012 gehaltenen Vortrag zu einem fundierten Essay. Das kluge Buch, untermauert mit Zahlen und Fakten, gibt zu denken und betrifft nicht nur den im Zentrum stehende Sonderfall Venedig, sondern unseren Umgang mit historisch gewachsenen Stadtstrukturen und urbanen Räumen allgemein Warum sie so unersetzlich sind und wie die inflationär aufploppenden Nachbauten, die translozierten Museumsdörfer und wieder aufgebauten "Originale" das Erleben der realen Städte verändern, schildert er ebenso wie das geschichtsvergessene Emporwachsen von Hochhäusern, die die historischen Stadtkerne dominieren und degradieren.
Bizarres diagnostiziert der Autor etwa in Mailand. Da dort seit alters her festgeschrieben war, dass kein Bauwerk höher ragen durfte als der madonnenbekrönte Dom (108 Meter), griffen Stadtväter und -planer zu einer List. Eine Kopie eben dieser Madonnenfigur wurde auf die Spitze eines höher geplanten Hochhauses montiert. Als dann der nächst höhere Wolkenkratzer den ersten überragte, schwebte die "Madonnina" kurzerhand dorthin weiter.
Settis macht klar: Auch Städte können ihr Gedächtnis verlieren und einer Amnesie verfallen, wie Menschen. Ein Venedig in Demenz? Schauerliche Vorstellung.

Salvatore Settis
Wenn Venedig stirbt 
Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte
Wagenbach Verlag, Berlin 2015
160 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978 3 8031 3657 2

Erstdruck: literaturblatt für baden-Württemberg, Heft 1/2016

Mehr lesen:
Elke Linda Buchholz über das literarische Venedig
Elke Linda Buchholz über neue Architektur in Venedig

Dienstag, 1. Dezember 2015

Weltreise - Ulrike Ottingers Ausstellungsinstallation in der Staatsbibliothek

Die Weltreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts hatten nicht die Möglichkeit zu fotografieren und filmen, sie mussten genau hinschauen, zeichnen, beschreiben und sammeln. Adelbert von Chamisso ließ sich von Eskimos kleine Walmodelle aus Holz schnitzen, nach denen er später Zeichnungen anfertigte. Beides ist nun in der Staatsbibliothek zusammen mit Filmaufnahmen zu sehen, die die Künstlerin und Filmemacherin Ulrike Ottinger von einer Reise in die Beringsee mitgebracht hat. In einer brillanten Großprojektion ist das Auftauchen der Wale von einem schwankenden Schiff zu erleben: Buckel, Schwanzflosse und Atemstrahl, ein großartiges Schauspiel, wie es sich nicht anders dem Naturforscher Chamisso auf dem russischen Segelschiff "Rubrik" bot.
Die von Ulrike Ottinger und Jutta Weber gestaltete Ausstellung "Weltreise" der Staatsbibliothek versammelt selten gezeigte Aufzeichnungen, Skizzen und Mitbringsel der großen Weltreisenden Johann Reinhold Forster, Alexander von Humboldt und Adelbert von Chamisso, kombiniert mit Auszügen aus Ottingers eigenen Arbeitsbüchern und Notizen.

Donnerstag, 26. November 2015

Zimtzwiebelchen alla Guida - Geschichten und Rezepte von Luciano Valabrega

Von Elke Linda Buchholz - Was es da alles für Zutaten braucht! Frische Artischocken mögen ja noch angehen. Allerdings soll es die Sorte cimaroli romaneschi sein, von größerer, runder Gestalt. Ob die in Berlin aufzutreiben sind? Und dann erst: Rogen von der Meeräsche, Bries vom Milchlamm, grüne Feldzichorie, Karden, Kutteln und Kalbssehnen, Zucchiniblüten, Zitoni-Nudeln – und Stockfisch "am besten San Giovanni".
Was der römische Autor Luciano Valabrega in seinem Salto-Bändchen "Puntarelle & Pomodori" verbrät, anschmort und köchelt, sind eigentlich die Elemente einer armen Küche. Hier und heute stellen sie den Nachkochwilligen vor Probleme. Oder lassen einen Schmunzeln. Für "Coppiette" etwa benötigt man: einen Tafelspitz vom Rind sowie "eine Stricknadel, Tüll und eine sichere Terrasse." Oho!? Die Zubereitung ist dann verblüffend einfach und wird hier nicht verraten. Ohne die römische Mittagssonnenhitze funktioniert es eh nicht.
Aber selbst beim Allerweltsgemüse Tomaten dürfen es nicht irgendwelche Hollandparadeiser sein, sondern unbedingt Casalino-Früchtchen, also Wulsttomaten, diese "hässlichen, aber unglaublich köstlichen". Sie sind, wie der Autor liebevoll präzisiert, "klein, nicht glatt, sondern knollig mit vielen Wülsten. Mein Neffe Marco könnte sich hineinlegen, aber das wäre die reine Verschwendung!" Valabrega schiebt die Tomaten halbiert und entkernt mit Salz, Pfeffer, Öl und Knoblauch in den Ofen und grillt sie. Dazu gibt´s Brot. "Herber Geschmack. Etwas Besonderes!"

Mittwoch, 25. November 2015

Kalligrafie monumental - Jackson Pollocks "Mural" in Berlin

Von Elke Linda Buchholz - "Energy made visible!" Um zu begreifen, worum es dem Maler Jackson Pollock ging, genügt ein einziges Werk. Nur groß genug muss es sein. So wie dieses: Das 1943 entstandene "Mural", das die University of Iowa als "Crown Jewel" ihres Museums bezeichnet, misst über 6 Meter und ist das größte Bild, das Pollock je schuf. Avantgarde-Förderin Peggy Guggenheim bestellte es bei dem Künstler für ihr New Yorker Townhouse; als sie später nach Venedig ging, ließ sie das Riesenwerk in Amerika zurück. Das Foto links zeigt die Auftraggeberin und den Künstler um 1943 vor dem Bild.
Jetzt ist es auf Europa-Tour. Wer die Ausstellung jüngst in Venedig anlässlich der Biennale verpasst hat, bekommt nun in der KunstHalle der Deutschen Bank noch einmal die Gelegenheit zum Date mit Pollocks Original. Flankiert von Werken wichtiger Zeitgenossen wie Lee Krasner oder David Smith und frisch restauriert vibriert das Riesengemälde tatsächlich vor Dynamik und Bewegungsenergie. Eine Viertelstunde vor diesem Werk lässt sich wegschlürfen wie ein Energiedrink, nur eben rein visuell. Ein Input, den man im grauen Berliner November gut gebrauchen kann.
Aber auch Schwärze, Aggressives und Düsteres pulsiert darin. Pollock musste eine Wand in seinem Atelier einreißen, um genug Platz dafür zu schaffen und fand den Arbeitsprozess "höllisch aufregend". "Mural" markiert in Pollocks Schaffen den entscheidenden Übergang zwischen seinen frühen, noch figürlichen Versuchen, die ebenfalls in der Ausstellung vertreten sind, hin zu den freien Drippings, für die der Action Painter berühmt wurde.

Dienstag, 24. November 2015

Am Rand der Welt - Ulrike Ottinger auf den Spuren Chamissos

Von Michael Bienert. In einer Ecke des großen Zimmers steht ein historischer Globus. Rundum Bücherregale, deren oberste Ablage dicht mit Dutzenden exotischer Holzmasken und Skulpturen besetzt ist. So stellt man sich das Arbeitszimmer eines Ethnologen des 19. Jahrhunderts vor. Ulrike Ottinger empfängt in ihrer Wohnung in einem alten Kreuzberger Mietshaus und entschuldigt sich für den Termin am Sonntagabend: »An den andern Tagen sitze ich 15 bis 18 Stunden im Schneideraum.« Mit unerhörter Disziplin arbeitet die 73-jährige Künstlerin und Filmemacherin daran, ihr neuestes Projekt im Zeitplan zu halten. Bis Dezember sollen der zwölfstündige Kinofilm »Chamissos Schatten«, eine Ausstellung in der Berliner Staatsbibliothek und eine Fotoausstellung fertig sein...

Weiterlesen können Sie den ausführlichen Bericht über Ulrike Ottingers Chamisso-Projekt im jüngsten Chamisso-Magazin der Robert Bosch Stiftung (Ausgabe Oktober 2015) ab Seite 14. 

Die Ausstellung "Weltreise" wird am 1. Dezember 2015 um 18 Uhr in der Staatsbibliothek zu Berlin eröffnet.

Donnerstag, 19. November 2015

Das Georg Kolbe Museum wird saniert - Baustellenbesichtigung im Bildhaueratelier

Die Baustelle im November 2015
Foto: Elke Linda Buchholz
Von Elke Linda Buchholz. Wer auf das Dachatelier Georg Kolbes tritt – ein beherzter Schritt auf eine eiserne Trittstufe und schon steht man drin, in dem Zimmer unter freiem Himmel – kann sich gut ausmalen, wie der Bildhauer seine Modelle zum Aktstudium hier herauf bat.
Der nach oben offene Raum ist wie gemacht für die ungestörte Zwiesprache mit dem hüllenlosen Gegenüber. Rundum schützen geschlossene Backsteinmauern die Terrasse vor zudringlichen Blicken. Nur nach Nordwesten ist ein breites Panoramafenster ausgespart: Es gibt den Blick frei in die Richtung, wo hinter Bäumen und Villen der Friedhof an der Heerstraße liegt. Dort ist Kolbes 1927 plötzlich verstorbene Frau begraben. Ihr wollte der Künstler mit seinem 1928/29 erbauten Wohn- und Atelierhaus nah sein.
Noch nie wurde das bedeutende Bauensemble an der Sensburger Allee 25 grundlegend saniert. Höchste Zeit! befand die seit drei Jahren amtierende Direktorin Dr. Julia Wallner, und die Lotto–Stiftung Berlin stimmte ihr zu, indem sie die 1,2 Millionen Euro teure Maßnahme ermöglichte.
Das Atelier 1930
Foto: Georg Kolbe Museum
Schon ist das Gebäude hinter Baugerüsten verschwunden. Man will zügig vorankommen, um den Ausstellungsbetrieb möglichst bald wieder aufnehmen zu können.Denn knappe Budget des Hauses, so Wallner, kann lange Schließzeiten gar nicht verkraften. Der renommierte Architekt Winfried Brenne, ein ausgewiesener Experte im Umgang mit sensiblen Baudenkmalen der Moderne, lenkt bei der Baustellenbegehung an diesem trüben, windigen Novembertag den Blick liebevoll auf die Details des ihm anvertrauten Objekts.

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Dienstag, 17. November 2015

E. T. A. Hoffmanns Berlin - Ausstellung in der Berliner Stadtbibliothek - Einsicht in die Quellen

Im Fachbereich Berlin-Studien der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) ist seit heute eine kleine Vitrinenausstellung zur Entstehung von E. T. A. Hoffmanns Berlin zu sehen. Zahlreiche Abbildungen in dem Buch stammen aus Sammlungen der ZLB, die in der Stadtbibliothek zugänglich sind. Außerdem ist das Schrifttum über Hoffmann und Berlin um 1800 dort nahezu vollständig greifbar. Für den Autor Michael Bienert war die Stadtbibliothek daher der ergiebigste Rechercheort für sein neuestes Werk. Die Ausstellung zeigt ausgewählte Fundstücke zum Thema aus den Sammlungen der ZLB mit Kommentaren und Signaturen: Die gezeigten Werke können in der Bibliothek eingesehen, also auch in die Hand genommen werden, was sonst bei Ausstellungen nicht möglich ist. Auch ein Leseexemplar des soeben erschienenen Buches liegt aus. Ansprechend gestaltet hat die Ausstellung Jenny Porschien, Mitarbeiterin im Fachbereich Berlin-Studien. Die Vitrinen sind während der Öffnungszeiten des Fachbereichs bei freiem Eintritt zu besichtigen. Ein Bibliotheksausweis ist nicht notwendig (Berliner Stadtbibliothek, Berlin-Studien, Breite Straße 30-36, 10178 Berlin, Mo-Fr 10-19 Uhr, Sa 13-18 Uhr).



Freitag, 13. November 2015

Buchpremiere in Friedenau

Frau Tittel, die Buchhändlerin, mit
Autor Michael Bienert
Der Andrang war so groß, dass ein Teil des Publikums auf den Treppenstufen in der Nicolaischen Buchhandlung in Friedenau sitzen musste - bei der gestrigen Buchpremiere von E. T. A. Hoffmanns Berlin mit Michael Bienert. Parallel zur Lesung waren historische Berlin-Stiche, Karten, Fotos und Zeichnungen E. T. A. Hoffmanns auf einer großen Leinwand zu sehen.

Die nächste Lesung mit Lichtbildern findet am 19. 11. in der Büchergilde Buchhandlung am Wittenbergplatz statt (20 Uhr, Eintritt frei).

Donnerstag, 12. November 2015

Pelz und Filz - eine Veranstaltung zum Sklarek-Skandal 1929

OB Gustav Böß trat 1929 wegen
der "Pelzaffäre" zurück.
Im Ephraim-Palais ist noch bis Ende Januar die Ausstellung Tanz auf dem Vulkan zu sehen, die das Stadtmuseum Berlin fast vollständig aus seinen eigenen Kunstsammlungen zur Metropolenkultur der Weimarer Republik bestückt hat - mit Werken von George Grosz, Rudolf Schlichter, Hannah Höch, Jeanne Mammen, Renée Sintenis, Hans Baluschek, aber eben auch mit vielen Großstadtbildern, die nicht zu Ikonen der Roaring Twenties geworden sind. Im umfangreichen Begleitprogramm moderiert Michael Bienert morgen eine Veranstaltung, die dem bekanntesten Politskandal im damaligen Berlin gewidmet sein wird. 1929 stürzte Oberbürgermeister Gustav Böß über die Machenschaften dreier gewiefter Geschäftsleute, der Brüder Sklarek, die sich am städtischen Beschaffungswesen eine goldene Nase verdienten und durch Betrug und Bestechung einen Schaden von über 10 Millionen Reichsmark anrichteten. Zum Verhängnis wurde Böß, dass seine Frau sich einen Pelz von den Sklareks hatte liefern lassen, die dafür einen viel zu niedrigen Preis berechneten. In die Betrügereien waren zahlreiche Mitglieder des Berliner Magistrats verwickelt, die Vorgänge um die Sklareks  wurden insbesondere von der politischen Rechten zum Vorwand genommen, die demokratische Verfassung der Kommune grundlegend in Frage zu stellen. Die Historikerin Dr. Annika Klein schildert, wie der Sklarek-Skandal die Überforderung der Berliner Verwaltung offenlegte und zu schwerwiegendem Vertrauensverlust führte. Sie ist als Autorin des Buches „Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik“ eine ausgewiesene Kennerin der Materie. Dem Vortrag folgt eine Diskussion über die Betrugsanfälligkeit der Berliner Stadtverwaltung und die Skandalisierung der Sklarek-Betrügereien in den damaligen Medien. Mit Annika Klein diskutieren Michael Bienert und der Historiker Björn Weigel, der ebenfalls über den Sklarek-Skandal publiziert hat. Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Historischen Kommission zu Berlin e. V.

DEMOKRATIE IN NÖTEN - DER SKLAREK-SKANDAL 1929
Ort: Märkisches Museum
Datum: 13. 11. 2015, 16 Uhr
Weitere Informationen

Mittwoch, 4. November 2015

E. T. A. Hoffmanns Berlin - frisch aus der Druckerei

Autor Michael Bienert und Verleger André Förster mit dem ersten Exemplar.
In den nächsten Tagen ist das Buch auch im Buchhandel erhältlich.
Foto: Leon Buchholz

CIEE Global Institute Berlin in der Gneisenaustraße 27 in Kreuzberg eröffnet

Der amerikanische Botschafter bei seiner Eröffnungsrede
vor der renovierten Fassade des Lernzentrums.
Fotos: Bienert
Die Amerikaner nennen es einfach nur noch "G27": Das neue Lernzentrum und Wohnheim für Austauschstudenten aus den USA in der Gneisenaustraße 27 in Kreuzberg. Betrieben wird es vom Council on International Educational Exchange, kurz CIEE, der größten Organisation in den USA, die Studenten Auslandsaufenthalte rund um den Globus vermittelt. Im Beisein der CIEE-Führungsspitzen und des amerikanischen Botschafters John B. Emerson wurde es heute offiziell eröffnet. Bis zu 200 Studenten können dort gleichzeitig wohnen, lernen, arbeiten, mitten in einem der interessantesten und lebendigsten Viertel der Hauptstadt. Dafür hat das CIEE ein fünfgeschossiges Fabrikgebäude im Hinterhof erworben und ansprechend umgestalten lassen - nicht nur wurde die Fassade mustergültig saniert, im Inneren ist viel von der alten Industriearchitektur erhalten geblieben und mit teilweise gebrauchtem, teilweise neuem Mobiliar zu einer ansprechenden Lern- und Arbeitsatmosphäre kombiniert worden.

Montag, 2. November 2015

Erweiterung des Bauhaus-Archivs / Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten vom 5. bis 25. 11. 2015

Modell der Erweiterung des Bauhaus-Archivs
Foto: Staab Architekten
Einstimmig ist der Entwurf von Volker Staab für eine Erweiterung des Bauhaus-Archivs am 22. Oktober von einer Wettbewerbsjury zur Ausführung empfohlen worden: "Ein filigraner, fast zarter gläserner 5-geschossiger Turm mittig auf einer Plattform und ein eingeschossiger Riegel entlang der Von-der-Heydt-Straße sind die einzigen wahrnehmbaren Elemente der Erweiterung des Bauhaus-Archivs. Alle Ausstellungsflächen werden auf einer Ebene unter der als Plateau mit eingeschnittenem Hof vollständig neu gestalteten Freiflächen angeordnet. Die mit der Brückenrampe beginnende promenade architecturale behält ihre Wirkung als freigestelltes, kompositorisches Element im erweiterten Ensemble und tritt darüber hinaus in Dialog mit dem neuen Zugangsturm. Hierbei erhält der Freiraum eine neue Prägung. Das erklärte Ziel des Entwurfs, den Bestand zu stärken und gleichzeitig einen wahrnehmbaren, zeichenhaften Eingang für die abgesenkten Ausstellungsflächen zu schaffen, gelingt über diese klare und durchdachte Intervention. Gleichzeitig wird eine eindeutige Antwort auf die schwierige Adressbildung und Orientierung des Grundstücks gegeben. Der Anspruch, ein einziges, als Gesamtfigur erleb- und bespielbares neues Ensemble für das Berliner Bauhausarchiv zu schaffen findet in diesem Entwurf eine überzeugende Übersetzung", heißt es im Urteil des Preisgerichts. Das kann jetzt überprüft werden: Die Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten wird durch den Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten Tim Renner und die Direktorin des Bauhaus-Archvis Dr. Annemarie Jaeggi am

Donnerstag, den 05.11.2015
um 19:00 Uhr
im HO | Berlin, Holzmarktstraße 66, 10179 Berlin

eröffnet. Die Ausstellung ist danach von Freitag, den 06.11.2015 bis Mittwoch, den 25.11.2015 täglich von 13:00 bis 19:00 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

Samstag, 31. Oktober 2015

E. T. A. Hoffmanns Berlin im Plakatformat - heute im Tagesspiegel

Auf der einer Doppelseite des heutigen Tagesspiegels stellt Michael Bienert den Dichter E. T. A. Hoffmann als leidenschaftlichen Flaneur und Berlin-Beobachter vor. Dazu gibt es eine Karte und etliche Bilder, die Hoffmann-Orte vor rund 200 Jahren und heutzutage zeigen. Dieses einzigartige Großplakat zum literarischen Berlin der Romantik gibt es nur am heutigen Tag am Zeitungskiosk zu kaufen!
Das Buch E. T. A. Hoffmann Berlin kommt am 3. 11. aus der Druckerei und wenig später im Buchhandel (vbb - Verlag für Berlin-Brandenburg, 176 Seiten, 24,99 Euro).

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Im Theater (59): Hoffmann in die Kiste! - Barrie Kosky inszeniert "Les Contes d´Hoffmann" an der Komischen Oper

Foto: Monika Rittershaus / Komische Oper Berlin
Von Michael Bienert - Leere Flaschen, wohin das Auge schaut. Mittendrin ein schwerfälliger älterer Herr, der vor sich hinmurmelt, reichlich Promille im Blut hat und nur noch in seinen Erinnerungen und Phantasien lebt. Das ist E. T. A. Hoffmann in Barrie Koskys Inszenierung von Hoffmanns Erzählungen an der Komischen Oper. Kein spritziger Erzähler, dem die Wirtshausgäste in Lutters Keller an der Französischen, Ecke Charlottenstraße an den Lippen hängen, wie in Jacques Offenbachs Opernvorlage. Kosky hat von dieser Rahmenhandlung wenig übrig gelassen. Ja, er hat eine neue konstruiert aus Texten Hoffmanns, wobei der Erzählung Don Juan eine Schlüsselrolle zufällt. Darin tritt die Donna Anna aus Mozarts Oper Don Giovanni unerwartet ins Leben eines Musikliebhabers. Sie ist die Sehnsuchtsfigur Stella, der Hoffmann in Koskys Inszenierung nachjagt, wenn er sich – als jugendlicher Doppelgänger des abgewrackten Dichters – nacheinander in die mechanische Puppe Olympia, die kränkliche Sängerin Antonia und die mit dem Teufel verbündete Hure Giulietta verliebt.
Foto: Monika Rittershaus/
Komische Oper Berlin
Don Giovanni bildet auch musikalisch den Rahmen, mit ein paar Takten aus der Mozarts Ouvertüre meldet sich das von Stefan Blunier geleitete Orchester überraschend aus dem Graben, nachdem Hoffmann zunächst als Sprecher (Uwe Schönbeck) brillieren durfte. Die Sänger Dominik Köninger und Edgaras Montvidas sind die feurigen jungen Hoffmanns, die meist gemeinsam mit dem alten auf der Bühne steht – als Verkörperung seiner inneren Bilder, was recht reibungslos funktioniert. Karolina Gumos als seine Muse tritt im Mozart-Kostüm auf, Dimitri Ivashchenko als teuflischer Lebemann unter den Masken der Hoffmann-Figuren Lindorf, Coppelius und Dapertutto. Star des Abends ist Nicole Chevalier, die ihre vier Hoffmann-Geliebten Stella, Olympia, Antonia, Giulietta nicht nur toll singt, sondern jeder eine ganz eigene Körperlichkeit und Sinnlichkeit verleiht. Der beste Regieeinfall des Abends ist ein Schubladenschrank, in dem die Sängerin als Automatenmensch Olympia steckt; nur durch ihre Mimik und ihr Kopfwackeln zeichnet sie eine Figur von hinreißender Komik, während sie singt.
Weniger herzerfrischend wirken der Männerchor in fleischfarbenen Frauenkleidern oder der Frauenchor in Gestalt weißhaariger Mütter, die mit Geigenbögen an Antonia herumstochern. Dass Hoffmann am Ende in einen schwarzen Sarg steigen muss, der zugenagelt wird, ist kein furchtbar originelles Schlussbild (wenn auch wie alles sehr stylisch in der Ausstattung von Katrin Lea Tag). Dem Unterhaltungswert der Inszenierung tut das keinen Abbruch, sie führt zwar nicht in Hoffmansche Abgründe, geht niemals richtig auf oder an die Nerven, ist aber kurzweilig und musikalisch ansprechend. Nicht zu unterschätzen auch, dass sie kompatibel ist mit dem Berliner Zentralabitur in diesem Schuljahr: Für alle Grund- und Leistungskurse ist die Hoffmann-Lektüre obligatorisch und diese Inszenierung durchaus geeignet, in den Unterricht einbezogen zu werden. Zum Spielplan der Komischen Oper

Dienstag, 13. Oktober 2015

Das erlesene Gekritzel - Jean Dubuffet in der Kunstbibliothek

Von Elke Linda Buchholz - Ein Sammler nobler Bücher wie sein Vater, ein großbürgerlicher Wein- und Spirituosenhändler wollte Dubuffet nie sein. Der Künstler verzehrte seinen Lesestoff lieber, indem er die Seiten bündelweise herausriss und nach der Lektüre schleunig entsorgte. Papiermüll. Dass der 1901 geborene Jean Dubuffet Bücher trotzdem liebte und sich sein Leben lang mit der eigensinnig-spielerischen Produktion von Gedrucktem vergnügte, zeigt eine Ausstellung in der Kunstbibliothek mit 200 Objekten vom Künstlerbuch bis zur Galerieeinladung. Den Erfinder der Art Brut und Sammler von Außenseiterkunst kennt man eigentlich eher als Maler, der seine Leinwände mit schlammfarbenen Krusten zentimeterdicker Materie bedeckte und daraus in archaischer Krakelmanier Köpfe, Tiere, Wege und kapitale Frauenakte kratzte. Die Werke in der Ausstellung kommen weniger wuchtig daher. Weiterlesen

Landesbibliothek sammelt Großstadtgeschichten - Collection Day am 16. Oktober 2015

Ein "A" vom Haus Vaterland am Potsdamer Platz,
gefunden auf www.grossstadtgeschichten.de
Am 3. Collection Day ruft die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) wieder dazu auf, mit Erinnerungsstücken und Geschichten in die Berliner Stadtbibliothek zu kommen. Dort steht ein Team mit Scannern, Fotoapparaten und Aufnahmegeräten bereit, um Bibliotheks- und Buchgeschichten zu digitalisieren. Gesammelt wird alles vom historischen Theaterkostüm, der letzten Champagnerflasche aus dem alten Hotel Adlon über Fotografien bis hin zu erzählten Geschichten. Die „Digitalisate“ werden dann Teil der virtuellen Plattform www.grossstadtgeschichten-berlin.de, auf der die Zeugnisse und Geschichten von Berlinerinnen und Berlinern sorgfältig aufbereitet und mit ausführlichen Erläuterungen versehen werden. Mittlerweile enthält die Site schon 270 Objekte und 88 Orte sind Geschichten oder Objekten zugeordnet. Als „Open Content“ mit freien Lizenzen versehen stehen die Daten darüber hinaus zur freien Nachnutzung zur Verfügung. Der Collection Day am Freitag, dem 16. Oktober 2015 von 15 – 19 Uhr in der Berliner Stadtbibliothek steht ganz im Zeichen des zwanzigsten Jubiläums der ZLB, gesammelt werden heute Bibliotheks- und Buchgeschichten. Wer nicht kommen kann, kann neuerdings seine Erinnerungen auch selbst auf der Plattform hochladen. (Quelle: ZLB)

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Immer der Käthe nach - ein Stadtführer zu Kollwitz in Berlin

Das Denkmal auf dem Kollwitzplatz
Foto: Michael Bienert
Von Elke Linda Buchholz - Wo in Berlin hatte Käthe Kollwitz eigentlich ihr Atelier? Einfache Frage, vierfache Antwort: Als die 24jährige frisch verheiratet mit ihrem Karl 1891 aus Königsberg nach Berlin zog, klappte sie ihren Zeichenblock kurzerhand in der Familienwohnung irgendwo zwischen Sofa, Küchentisch und Bett auf. Die damalige Adresse Weißenburger Str. 25 ist aus dem Berliner Stadtplan verschwunden, das Haus im Krieg zerbombt. Heute markiert an der Kollwitzstraße 56a im Prenzlauer Berg eine gelbe Kunststoffgedenktafel den Standort des längst neubebauten Eckgrundstücks.
Ein eigenständiges Atelier hatte die Künstlerin, bald Mutter zweiter Kinder, lange Zeit nicht. Aber ihre wachsende Familie breitete sich in dem mehrstöckigen Mietshaus am heutigen Kollwitzplatz mitsamt der Armenarztpraxis nach und nach auf drei Etagen aus. Erst 1912 mietete sich Kollwitz einen separaten Werkstattraum im großen Atelierhaus Siegmunds Hof 11 im Hansaviertel am Tiergartenrand, wo viele Künstler arbeiteten. Denn dort konnte die als Graphikerin bereits anerkannte Künstlerin an ihren Skulpturenprojekten arbeiten, wozu sie mehr Platz brauchte.
Den Ort aufzusuchen, beschert dem Stadtspaziergänger allerdings eine weitere Frustration: Auch dieses Haus steht nicht mehr. Stattdessen logieren jetzt hunderte Studenten auf dem in den 1950 Jahren neu bebauten Areal. Zur Universität der Künste ist es nur eine Viertelstunde Fußweg. Dort in der Hardenbergstraße 33 leitete Käthe Kollwitz ab 1928 das Meisteratelier für Graphik: Die als erste Frau zur Professorin der Akademie ernannte Künstlerin unterrichtete in einem Seitenflügel des wuchtigen Baukomplexes auch ihre Studenten.
Doch damit war nach ihrem erzwungenen Austritt aus der Akademie 1933 unter den Nazis Schluss. In der Ateliergemeinschaft Klosterstraße 45 in Mitte fand Kollwitz schließlich noch einmal Raum zum Arbeiten, Unterschlupf für Graphikutensilien und Zeichenmappen, Austausch unter Kollegen. 1945 wurde auch dieses Gebäude ausgebombt. Als Teenagerin war sie einst auf der Durchreise zum ersten Mal nach Berlin gekommen, über 50 Jahre hat Käthe Kollwitz hier gelebt und gearbeitet. Aber ihre authentischen Spuren finden sich nicht mehr in den Straßen und Häusern der Stadt, sondern eher in ihren Werken – im Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße oder in den Archivkästen des Kupferstichkabinetts.
Trotzdem ist es spannend, das topographische Netzwerk dieser eigensinnigen Frau nachzuvollziehen, zumal es zugleich wichtige Orte des damaligen Kunstbetriebs wie Akademie und Sezession tangiert. Einen Leitfaden samt Stadtplan dazu bietet das schmale Bändchen "Käthe Kollwitz in Berlin", das Iris Berndt und Isabell Flemming im Auftrag des Käthe-Kollwitz-Museums Berlin dieses Jahr zum 70. Todestag der Künstlerin herausgebracht haben. Die kurzen Texte und historischen Fotos gehen zwar nicht über das Bekannte hinaus, machen aber neugierig, das interessante Feld "Kollwitz und Berlin" einmal gründlicher zu beackern.

Iris Berndt, Isabell Flemming
Käthe Kollwitz in Berlin 
Ein Stadtrundgang | A City Tour 
56 Seiten, 39 Abb., 210 x 200 mm,
zweisprachig deutsch / englisch
Lukas Verlag, Berlin 2015, 9,80 Euro

Donnerstag, 1. Oktober 2015

"Magie des Lesens" - Aufruf des Museums Neukölln

Sie lieben Bücher und lesen leidenschaftlich gern? Dann sollten Sie bei dem neuen Ausstellungsprojekt „Die Magie des Lesens“ des Museums Neukölln mitmachen. Haben es Ihnen Abenteuergeschichten, Sagen, Reisebeschreibungen, Krimis, Liebesgeschichten, Biografien, Science-Fiction, Sachbücher oder Comics angetan? Welches Buch würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen, welche Bücher haben Sie wieder und wieder gelesen, welches Buch hat Ihr Leben beeinflusst? Diese Bücher möchten wir in der Ausstellung „Die Magie des Lesens“ präsentieren und dazu die Geschichten erzählen, die mit ihnen verbunden sind. Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Ausstellungsprojekt ist, dass Sie aus Neukölln stammen, hier gewohnt oder gearbeitet haben oder dies immer noch tun. Und Sie sollten bereit sein, uns Ihre Lieblingsbücher für die Dauer der Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Interesse daran haben, an dem Projekt teilzunehmen, dann rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail oder einen Brief:
Tel.: 627 277 -720, -721 
E-Mail: projekte@museum-neukoelln.de 
Adresse: Museum Neukölln, Alt-Britz 81, 12040 Berlin 

Donnerstag, 24. September 2015

Bankencity mit Kultur - Florenz zu Zeiten Botticellis

Von Elke Linda Buchholz. Florenz, September 1490. Die sommerliche Hitze ist vorbei. Nach und nach kehren die Reichen und Mächtigen von ihren Landgütern in die Stadt am Arno zurück. Die "Blühende", wie sie seit alters her genannt wird, belebt sich. Schon wurde die schöne junge Ludovica Tornabuoni mit ihren Anstandsdamen beim Gottesdienst gesichtet. Auch Lorenzo il Magnifico, Chef des Hauses Medici und Geschäftsführer des Familienunternehmens, ist von seiner Lieblingsvilla Careggi in den Stadtpalast der Medici an der Via Larga zurückgekehrt. Tag für Tag kann man jetzt Handelsdelegationen von weither durch die Stadttore ziehen sehen. Unglaublich, was für ein Geschiebe und Gedränge in den engen Gassen herrscht: da sieht man Mönche im Habit, Bauern mit vollbeladenen Eselskarren, Pilger auf ihrem Weg nach Rom, Tagelöhner, Prostituierte, Handwerker, Beutelschneider. Aus den offenen Ladenwerkstätten hört man Hämmern und Sägen. An einer Straßenecke feilscht ein Verkäufer mit Kunden, daneben zahlt ein Bankier in klimpernder Münze einen Kleinkredit aus. Die großen, internationalen Geldgeschäfte mit dem Goldflorin werden hinter den hohen Mauern der noblen Palazzi gemacht... Hier weiterlesen. Erschienen in einer tollen mehrseitigen Beilage des TAGESSPIEGELs aus Anlass der großen Botticelli-Ausstellung in der Gemäldegalerie. Mehr Infos zur Ausstellung

Dienstag, 22. September 2015

100x Arno Schmidt in der Akademie der Künste

Einer der Zettelkästen Arno Schmidts für sein
Werk Zettels Traum. Foto: Bienert
Literatur wird aus Wörtern gemacht: nicht regelkonform, sondern spielerisch & schöpferisch. Arno Schmidt war ein besessener Sprachspieler, einer der größten der deutschen Literatur. Im Zentrum der ihm gewidmeten Ausstellung in der Akademie der Künste am Hanseatenweg steht ein Bildschirm, auf dem man 100 Wörter aus seinem Werk antippen kann: von „Alkohol“ über „ficken“ bis „Zustand“. Sechs kurze Werkzitate mit dem gewählten Wort leuchten dann nacheinander an der Decke des Raumes auf, und beim raschen Mitlesen wird sofort klar: Diese Sprache lebt!
Arno Schmidt
Foto: Alice Schmidt/
Arno Schmidt Stiftung
Mit Friedrich Forssman hat einer der fähigsten Schrift- und Buchgestalter das elegante Ausstellungsdesign entworfen. In einem abgedunkelten Raum kann man zwischen 100 Schlaglichtern auf Leben und Werk frei flanieren. In schicken Leuchtvitrinen sind Objekte aus dem Nachlass Arno Schmidts zu sehen – seine grüne Lederjacke, Einmachgläser und phallische Stehlampen aus dem Haus in Bargfeld, eine Goldkette seiner Frau, Manuskripte, Bücher, Zettelkästen und Schreibmaschinen. Die Objekte stehen für Themen, die nach Gegensatzpaaren geordnet sind: wie Buchhalter/Junggeselle, Goethe/Wieland, Potenz/Impotenz, Übersetzer/Übersetzter, Gesund/Krank et cetera. So wird ein Foto, das den jungen Dichter in Bodybuilderpose zeigt, mit der umfangreichen Medikamentensammlung vom Schreibtisch des späten Arno Schmidt konfrontiert: Das Schreiben als Beruf forderte seinen Tribut. Zitate, die den Objekten zugeordnet sind, demonstrieren die Welthaltigkeit der Sprachspiele Arno Schmidts. 1953 forderte er: „Jeder Schriftsteller sollte die Nessel Wirklichkeit fest anfassen und uns Alles zeigen: die schwarze schmierige Wurzel; den giftgrünen Natternstengel; die prahlende Blume(nbüchse).” In den Wirtschaftwunderjahren wurde wegen Pornografie und Gotteslästerung gegen Schmidt ermittelt, die konservative Literaturkritik bekämpfte ihn als grässlichen Sprachverschluderer. Die Ausstellung in der Akademie der Künste zeigt ihn als manischen Arbeiter, als werkbesessenen Einzelgänger, als humorvollen Sprachschöpfer, in dessen Sprachuniversum einzutauchen ein reines Vergnügen ist, selbst wenn man (noch) nicht zur eingeschworenen Fangemeinde gehört.

Arno Schmidt
Eine Ausstellung in 100 Stationen
Akademie der Künste am Hanseatenweg
bis 10. Januar 2016
Weitere Informationen

Montag, 14. September 2015

Fregestraße 19: Ein Buch über die Berliner Villa des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger

Fregestraße 19 in Friedenau. Foto: Bienert
Das wusste selbst der historisch so bewanderte Hans Magnus Enzensberger nicht: In der Villa in Friedenau, die ihm von 1964 bis 1978 gehörte, in der die "Kommune 1" kurzzeitig hauste und sich Linksintellellektuelle wie Gaston Salvatore, Rudi Dutschke, Peter Schneider und Hans Werner Henze die Klinke in die Hand gaben, in eben jenem Haus in der Fregestraße 19 hat der Obernazi Hermann Göring vor dem Ersten Weltkrieg einen Teil seiner Jugend verbracht. Pikanterweise gehörte das Haus seinerzeit einem jüdischen Rittergutsbesitzer, mit dem die Mutter des späteren Reichsmarschalls und Reichjägermeisters ein intensives Verhältnis hatte, und zwar mit Wissen und Billigung ihres Mannes. Hermann Görings jüngster Bruder Albert, der die NS-Ideologie ablehnte, war wohl eine Frucht jener offenen deutsch-jüdischen Dreierbeziehung. Alleine dieser Einblick ins Liebesleben seiner Bewohnerschaft lohnt die Lektüre des liebevoll ausgestatteten Buches über das kleine Haus in der Fregestraße, das damit zu einer Hauptsehenswürdigkeit im - an Prominentenadressen ohnehin reichen - Friedenau aufsteigt. "Eine beliebige Adresse kann also den Blick auf ein ganzes Bündel von merkwürdigen Geschichten freigeben, wenn ein geduldiger Amateur allerhand unbedeutende Zeugen befragt und vergilbte Baupläne, Ahnentafeln, Archivkästen und alte Photos hervorkramt. Vielleicht stellt die Mikrohistorie, in der die Kontingenz regiert, manchmal sogar die großen Erzählungen in den Schatten", schreibt Hans Magnus Enzensberger in seinem Vorwort zur Geschichte seines Berliner Hauses. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Christian H. Freitag
Ritter, Reichsmarschall & Revoluzzer
Aus der Geschichte eines Berliner Landhauses
88 Seiten, gebunden
Edition Friedenauer Brücke
ISBN 978-3-9816130-2-5
24 Euro

Montag, 7. September 2015

Taschendiebe am U-Bahnhof Möckernbrücke - Friedrich Kröhnkes "Diebsgeschichte"

"Alternativ und radikal gewesene Wilmersdorfer Witwen" nennt Friedrich Kröhnke das Personal, das seine Diebsgeschichte bevölkert. Der frühpensionierte Bibliothekar Frieling beobachtet am U-Bahnhof Möckernbrücke eine Bande von Taschendieben und mobilisiert seine Bekannten aus dem Café Kleist. Der angejahrten westberliner Bohéme gelingt es tatsächlich, die Bande in eine Falle zu locken und der Polizei zu übergeben - womit die Geschichte jedoch noch nicht zu Ende ist. Leichtfüßig und ironisch erzählt Kröhnke, wie der Bibliothekar aus der Rolle der flanierenden Beobachters fällt und zum abenteuerlustigen Verbrecherjäger wird. "Die Düsternis nimmt in meinen Büchern komische Formen an", sagte der Autor vergangene Woche bei einer Buchvorstellung im Brechthaus und versicherte: "Alles, was in der Diebsgeschichte erzählt wird, habe ich in Berlin tatsächlich beobachtet und erlebt - nur nicht am U-Bahnhof Möckernbrücke."

Friedrich Kröhnke
Diebsgeschichte
Müry Salzmann Verlag, Wien 2015
136 S., 19,-- Euro

Donnerstag, 3. September 2015

Bikini im Buch

Dies ist ein typisches Investorenbuch nach dem Motto: Tue Gutes und publiziere darüber! Ein in jeder Hinsicht opulenter Prachtband für ein Projekt, das es allerdings verdient hat, gefeiert zu werden. Die Bayerische Hausbau hat das Bikini-Haus am Zoo so vorbildlich zu einer Einkaufspassage mit gehobenem Niveau umbauen lassen und dabei so viel von der Eleganz der 50er-Jahre-Architektur wieder zum Vorschein gebracht hat, dass es wenig zu kritteln gibt. Umso mehr, als das Ensemble am südlichen Zoorand, zu dem auch der inzwischen denkmalgerecht aufpolierte Zoo-Palast und die Hochhausscheibe am Hardenbergplatz gehören, lange Zeit als Problemfall und Abrisskandidat galt. Ein klug sanierter und revitalisierter 50er-Jahre-Bau ist aber allemal so schick wie das meiste, was an heutiger Kommerzarchitektur in den Cities der großen Städten abgestellt wird. Dies ist die frohe Botschaft, die vom Bikini Berlin ausgeht. Das Buch bettet sie weit ausgreifend in die Historie des Standortes ein: Seit der Kaiserzeit entstand um die als Nationaldenkmal konzipierte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein städtisches Zentrum mit legendären Orten wie dem Romanischen Café, den Ausstellungshallen am Zoo (Sechstagerennen!), später Ufa-Palast am Zoo, mit Hans Poelzigs "Capitol"-Kino und dem Gloria-Palast. Das Ensemble war ein Wahrzeichen des modernen Berlin und als solches wurde es für West-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg mit zeitgenössischer Architektur wieder aufgebaut. Anhand des Buches lässt sich nun im Detail nachvollziehen, wie die Geschichte in die Überlegungen für eine zukunftsfähige Nutzung des Bikini-Hauses und der Nachbargebäude einfloss, welche Interessen der Investor und die Denkmalpflege verfolgten und wie es zu tragfähigen Lösungen kam.

Peter Lemburg
Bikini Berlin und seine Story
Imhof Verlag
168 Seiten, 29,95 Euro
ISBN 978-3-7319-0031-3 29,95

Mehr Infos: http://www.imhof-verlag.de/bikini-berlin-und-seine-story.html

Mittwoch, 26. August 2015

Eine neuer Führer durch die Hufeisensiedlung

Eine kompetenteren Autor für einen Kurzführer über die weltberühmte Hufeisensiedlung von Bruno Taut gibt es kaum: Ben Buschfeld lebt dort seit Jahren, mit seiner Frau Katrin Lesser hat er ein Haus im Stil der Bauzeit innen komplett restauriert und eingerichtet, er hat bereits die Ausstellung zur Siedlung in der Infostation und den Webauftritt gestaltet. Da Buschfeld überdies auch noch im Hauptberuf als professioneller Designer und Buchgestalter arbeitet, besticht das nun bei Nicolai erschienene handliche Buch zum Thema durch Eleganz und Übersichtlichkeit. Eine schöne Orientierungshilfe sind die Luftbildaufnahmen, in denen die einzelnen Bauabschnitte farbig markiert sind. Darüber hinaus präsentiert der Band seltene historische Aufnahmen und stellt die bedeutenden Planer und einige Bewohner im Porträt vor - einschließlich des SS-Mannes Adolf Eichmann, der in der benachbarten Krugpfuhlsiedlung wohnte. Abgerundet wird die Darstellung durch kurze Kapitel zu den anderen UNESCO-Welterbesiedlungen in Berlin und Hinweise auf weitere Bauten des Architekten Bruno Taut.

Ben Buschfeld
Bruno Tauts Hufeisensiedlung
UNESCO-Welterbe-Siedlung der Berliner Moderne
Deutsch | Englisch
144 Seiten
13 x 21 cm
150 Abbildungen, 10 Pläne
Klappenbroschur
Nicolai Verlag, Berlin 2015 

ISBN 978-3-89479-923-6
16,95 EUR

Sonntag, 23. August 2015

bauhaus re use

Das Foto links zeigt das Bauhaus-Archiv an der Klingelhöferstraße, gesehen aus dem fast fertigen neuen Veranstaltungspavillon an der Kingelhöferstraße. Der Clou: Man blickt dabei durch Originalfenster, die früher Teil des Dessauer Bauhauses waren. Angefertigt wurden sie 1976 für die Rekonstruktion des Gebäudes, ausgebaut 2011, als es energetisch saniert wurde. Das Architekturbüro zukunftsgeraeusche hat daraus in Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Archiv und dem Oberstufenzentrum Knobelsdorff-Schule ein neues Gebäude recycelt. Ab Mitte September soll es für Veranstaltungen zur Verfügung stehen und als Infopavillon zu den Themen Architektur, Stadtentwicklung und Design in Berlin dienen. Robert Huber (Foto unten) von zukunftsgeraeusche stellte das Gebäude am Freitag anlässlich eines Vorbereitungstreffens zur Triennale der Moderne im Herbst 2016 im Bauhaus-Archiv vor.

Fotos: Michael Bienert

glanz & krawall: ORFEO in der Psychiatrie

Foto: glanz & krawall
Bisher machte das Musiktheaterkollektiv glanz & krawall mit seinen Produktionen Technoclubs, Amphitheater und Stummfilmkinos unsicher. Nun wagt es sich auf neues Terrain und bringt Claudio Monteverdis ORFEO in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin Mitte. Das Publikum begibt sich mit Orfeo auf die Suche nach der verloren geglaubten Eurydike und wird Zeuge der Anstrengung, die Geliebte in die eigene Wirklichkeit zurückholen. Dabei überlagern sich immer stärker Hoffnungen und Wünsche mit Ängsten und Projektionen. Ist Eurydike real oder ein Produkt von Orfeos Imagination? Und wenn es diese Beziehung tatsächlich niemals gab, wäre das wirklich so schlimm? Die Regisseurin Marielle Sterra inszeniert Monteverdis frühe Oper (1607) an verschiedenen Orten im historischen Gebäude der Alten Nervenklinik der Charité - bei laufendem Krankenhausbetrieb. Unweit des Berliner Hauptbahnhofs befindet sich dieser blinde Fleck einer rational durchgeplanten Gesellschaft. ENTWEDER WIR BLEIBEN IM IRRENHAUS ODER DIE WELT WIRD EINS, steht dort auf einem Gemälde eines Patienten.

Dienstag, 11. August 2015

Kästners Berlin live: DIE SCHOLLE lädt ein am 27. August

Dirk Lausch (links) hat Michael Bienert (rechts) nach
einem Interview auf dem Schöneberger Gasometer
zu einer Lesung eingeladen.
Die Wohnungsbaugesellschaft DIE SCHOLLE lädt ein zur Autorenlesung mit Michael Bienert am  Donnerstag, 27. August 2015, 15:00 Uhr im Scholle-Treff, Wilmersdorf Düsseldorfer Straße 24 B 10707 Berlin, Eintritt frei!
"Für das aktuelle Scholle-Blättchen haben wir den bekannten Autor Michael Bienert auf dem Gasometer interviewt. Wir sind sehr froh und dankbar, dass es uns gelungen ist, ihn zu einer Lesung aus seinem großartigen und hochgelobten Buch „Kästners Berlin“ in den Scholle-Treff einzuladen. Bienert beschreibt darin die literarischen Orte, die mit Erich Kästner (1899 - 1974), seinen Werken und Berlin verbunden sind. Freuen Sie sich auf Begegnungen u. a. mit Emil Tischbein, Pünktchen und Anton, dem Studenten Fabian und erfahren Sie, warum der Besuch vom Lande am Potsdamer Platz vor Angst die Beine krumm macht … Wenn Sie Interesse haben, nimmt sie der „Literaturdetektiv“ Michael Bienert im Anschluss mit auf einen kurzen Spaziergang durch den Kiez. Moderiert wird die Lesung von Rudi Schalk, der sicherlich auch das eine oder andere Gedicht von Erich Kästner rezitieren wird."
Bitte melden Sie sich bis zum 25. August unter 896 008 37 (Mo - Do),  0175 742 32 01 oder dlausch@maerkische-scholle.de bei Herrn Lausch an. Parole Emil!"

Montag, 27. Juli 2015

Im Theater (58): Saisonabschluss in Bamberg mit der "Zauberflöte"

Foto:Thomas Bachmann / Sommer Oper Bamberg
Auf Recherchetour in Bamberg schaut sich der Berlinologe, der auch im Urlaub an seinem neuen Buch über E. T. A. Hoffmanns Berlin weiterschreibt, das Theater an, wo Hoffmann ab 1808 ein paar Jahre als Kapellmeister, Bühnenbildner, Komponist und Mädchen für alles gearbeitet hat.
Gestern war dort großer Kehraus: mit einem Fest in der Studiobühne und dem angrenzenden Park hat sich das Ensemble um den Intendanten und Hoffmannologen Rainer Lewandowski endgültig von seinem Bamberger Publikum veranschiedet. Seit der Spielzeit 1989/90 - länger als Frank Castorf an der Berliner Volksbühne und für Bamberger Verhältnisse ähnlich erfolgreich - hat Lewandowski das Haus geleitet. In diese Zeit fällt der kluge Aus- und Umbau des gut 200 Jahre alten Stadttheaters, dessen Zuschauerraum im klassizistischen Stil des 19. Jahrhunderts wiederhergestellt wurde: Nicht viel anders hat er ausgesehen und wohl auch nicht gelungen, als Hoffmann hier arbeitete. Gestern abend wurde dort zum Saisonschluss eines seiner Lieblingsstücke aufgeführt, Mozarts "Zauberflöte". Eine Produktion der Sommer Oper Bamberg mit 17 jungen Nachwuchssängern (450 hatten sich beworben) und einem kleinen, handverlesenen Orchester mit wunderbar trocken-präzisem Klang aus dem Orchestergraben, geleitet von Till Fabian Weser.
Ein Workshop mit der Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager hat die Sänger mit wenig Bühnenerfahrung auf die Arbeit mit der Regisseurin Doris Sophie Heinrichsen vorbereitet, das Ergebnis war im Szenischen nicht immer  perfekt, konnte sich aber sehen und vor allem hören lassen. Die Hauptrollen waren doppelt besetzt, bei der letzten Vorstellung gestern wechselten die Sänger in der Pause; besonders positiv fielen auf Jasmin Maria Hörner als anmutig-blonde Bilderbuch-Pamina, die beiden Königinnen der Nacht Danae Kontora und Svetlana Merzlova und die beiden Papagenos im Cowboylook Ludwig Obst und Oliver Pürckhauer. Als Amazonentrio aus einem Guss überzeugten die drei Damen der Königin der Nacht (Simone Krampe, Isabel Segarra und Ulrike Malotta).
Das Bühnenbild stellte eine Bibliothek vor, einen Tempel des Wissens mit gemalten Bücherregalen zu beiden Seiten wie auf einer historischen Kulissenbühne, verwandelbar durch Videoprojektionen im Hintergrund. Den Palast Sarastros und den Garten der Vernunft so zu deuten, als Ort der Bildung, leuchtet ein. 
Solche Aufführungen leben nicht davon, dass alles routiniert bis aufs i-Tüpfelchen zu Ende inszeniert ist oder das Theater neu erfunden wird, sondern von der hohen Motivation der Nachwuchskünstler, die ihre Chance zu nutzen und ihr Bestes geben. Kurzum: Diese Aufführung lebte und es war ein großes Vergnügen, sie sich anzusehen. Es war die sechste Produktion der Sommeroper in nunmehr zehn Jahren und hoffentlich bleiben die Sponsoren bei der Stange, damit es in zwei Jahre wieder eine so gelungene Nachwuchsförderung geben kann.

Dienstag, 7. Juli 2015

Schnell und billig Wohnungen bauen - heute und vor 80 Jahren

Die Museumswohnung in Haselhorst
Foto: Sabine Dobre/Gewobag
Berlin soll schon bald wieder vier Millionen Einwohner haben, so steht es heute in allen Zeitungen. Das heißt: Es muss gebaut werden. Wohnungen für Geringverdiener waren schon im Berlin der Weimarer Republik Mangelware. In einem Beitrag für das rbb-Inforadio schlägt Susanne Gugel den Bogen von der 1930 bis 1935 errichteten Reichsforschungssiedlung in Spandau zu heutigen Aufgaben im Wohnungsbau. Dafür hat sie Michael Bienert in der Museumswohnung in Haselhorst befragt. Zum Beitrag

Die Museumswohnung in Haselhorst kann jeweils am letzten Sonntag im Monat und am Tag des offenen Denkmals 2015 besichtigt werden. Mehr Infos

Im Berlin Story Verlag ist eine zweite, erweiterte Auflage von Michael Bienerts Buch Moderne Baukunst in Haselhorst erschienen, in dem auch die Museumswohnung vorgestellt wird. 

Sonntag, 14. Juni 2015

Friedenauer Lesenacht: Kästner auf der Dachterrasse

So idyllisch sieht es auf der Dachterrasse des Hauses Niedstraße 6 aus, wo Michael Bienert am kommenden Samstag, dem 20. Juni 2015, um 20.40 und 21.20 Uhr aus seinem Buch Kästners Berlin liest. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Friedenauer Lesenacht statt, bei der zahlreiche Autoren an ungewöhnlichen Orten auftreten. Zum Programmheft

Nachtrag: Wegen des gewaltigen Publikumsandrangs musste die Veranstaltung dann doch auf dem Dachboden stattfinden, was der Stimmung allerdings keinen Abbruch tat, wie die folgenden Fotos zeigen...

Auf dem höchsten Berg Berlins...

Michael Bienert auf dem Höhenkamm der Arkenberge
Foto: Sonja Buchholz
...war heute zum ersten Mal Gipfelfest. Im vergangenen Jahr ist die Bauschuttdeponie Arkenberge am  nordöstlichen Stadtrand über den Teufelsberg hinausgewachsen und gilt nun offiziell mit 122 Metern über Normalnull als höchste Erhebung innerhalb der Berliner Stadtgrenze. Das Gelände soll künftig als Naherholungsgebiet und Naturerlebnispark genutzt werden. Weitere Informationen

Freitag, 5. Juni 2015

Im Kino: "Die Frau in Gold"

Wir sind wegen Helen Mirren ins Kino gegangen, die so liebenswert schräge, sensible, nervige, stolze, stilbewusste ältere Damen verkörpert. Diesmal ist es Maria Altmann, eine inzwischen verstorbene jüdische Emigrantin aus Wien: Sie verklagte den österreichischen Staat vor einem Jahrzehnt mit Erfolg auf die Herausgabe des goldtrahlenden Klimt-Porträts von Adele Bloch-Bauer, ihrer Tante, das in der Nazizeit unrechtmäßig aus Familienbesitz entwendet worden war. Der Spielfilm folgt dem Kampf der alten Dame und ihres jungen Anwalts Randal Schoenberg (Ryan Reynolds) durch alle Instanzen und Winkelzüge, mit Rückblenden in die Zeit des "Anschlusses" Österreichs an Nazideutschland und der Ausplünderung des jüdischen Großbürgertums.
Sie machen die versteckten, verdrängten Wunden sichtbar, die in der Holocaust-Überlebenden Maria Altmann, dem nachgeborenen Anwalt aus der Schönberg-Familie und dem Reporter Hubertus Czernin (Daniel Brühl) durch den Restitutionsfall aufbrechen. Im Grunde geht es dabei gar nicht um Kunst oder der irrsinnig hohen Marktwert der geraubten Kunstwerke,  sondern um Gerechtigkeit und ein Schuldeingeständnis des österreichischen Staates: Die Enttäuschung der jüdischen Erbin darüber, dass ihr dies von der Gegenseite verweigert wird und sie die Herausgabe der Raubkunst in einem nervenaufreibenden Kampf erzwingen muss, führt letztlich dazu, dass das berühmte Bloch-Bauer-Porträt heute in einer New Yorker Galerie hängt und nicht mehr im Wiener Belvedere. Für europäische Augen ist dieser Hollywood-Film ein bisschen zu didaktisch und melodramatisch, wirken die Rückblenden in die NS-ein wenig klischeehaft und allzu sentimental, was indes durch die schauspielerische Qualität ausbalanciert wird. Es lohnt sich besonders, diesen Film im umsynchronisierten Original (mit Untertiteln in den Hackeschen Höfen) anzusehen, da er streckenweise zwischen den englischen und deutschen Sprache - mit verschiedenen Akzentfärbungen - wechselt. Zum Trailer

Mittwoch, 3. Juni 2015

Endlich gelesen: Nellja Veremejs "Berlin liegt im Osten"

Blick durch die Brunnenstraße zum Alex,
vom Tagungsort der literarischen Runde zum
Handlungszentrum des Romans
Das literarische Sextett, das gestern in der Berliner Brunnenstraße tagte, war sich einig: Dies ist ein richtig guter Berlin-Roman! Drei emeritierte Lingustikprofessor/inn/en, ein Kulturjournalist, eine Germanistik-Doktorandin und ein Jurist schwärmten sich gegenseitig vor, wie lebensnah, lebensklug und warmherzig Nellja Veremej ihre Geschichte einer aus der zerfallenden Sowjetunion nach Berlin ausgewanderten Altenpflegerin erzählt. Wie das Buch bis zum Schluß spannend bleibt, obwohl es eigentlich keine Entwicklung schildert, weil man immer neue Seiten an den Haupt- und Nebenfiguren entdeckt. So unaufdringlich ist es komponiert, dass man erst vom Ende her das kunstvolle Gewebe der Motive durchschaut - und staunt über das Geschick und die Sprachmächtigkeit einer Autorin, die mit etwa Fünfzig ihr Romandebut vorlegt und seit höchstens zehn Jahren in deutscher Sprache schreibt. "Mit der Liebe stand es nicht gut in unserer Familie. Zwar gab es sie bei uns im Überfluss, nur erwidert wurde sie nicht. Die Liebesstrahlen stießen in alle Himmelsrichtungen in die Leere, sie waren wie die Speichen eines endgültig kaputten und enthäuteten Regenschirms." Veremejs poetische Sprachbilder sind Blitze, die einen Sachverhalt schlagartig erhellen und auf den Punkt bringen. Ihre zweite Hauptfigur, der ehemalige DDR-Journalist und Berlinkenner Ulf, hat die NS-Zeit und die sowjetische Besatzung als Junge miterlebt: Veremej erzählt davon so anschaulich, als wäre sie selbst dabei gewesen, und man fragt sich, woher sie das hat. Der Roman spielt hauptsächlich in den Straßen zwischen Alexanderplatz, Volksbühne und Rosenthaler Platz, so wie Döblins Alexanderplatz-Roman von 1929, und gelegentlich streut die Autorin mit leichter Hand Reminiszenzen daran ein. Ohne Lamoryanz erzählt sie - hochaktuell - von den Schwierigkeiten einer Migrantenfamilie, am Ort ihrer Sehnsucht - Berlin - anzukommen und sich heimisch zu fühlen. Die Familie der Erzählerin Lena zerfällt, ihre Liebesaffäre mit einem selbstbewussten deutschen Arzt zerbricht, noch ehe sie richtig begonnen hat. Liebesroman, Familienroman, Migrantenroman, Ost-West-Roman, Wenderoman: Etwas von allem steckt in diesem Buch, das dabei weder überladen noch leichtgewichtig wirkt, weder  überhitzt noch unterkühlt - und schon gar nicht mittelmäßig. Wir sind extrem gespannt, was von dieser Autorin noch kommt!

Nellja Veremej
Berlin liegt im Osten
Roman
Verlag Jung und Jung
318 Seiten, gebunden, 22 Euro

Montag, 1. Juni 2015

Berlin wird nummeriert - Reprint des Berliner Adressbuchs von 1801 erschienen

Bevor es ein richtiges Adressbuch geben konnte, mussten erst einmal die Häuser in Berlin durchnummeriert werden. 1801 war es soweit: Aus diesem Jahr stammt das erste Adressbuch mit Straßennamen und Hausnummern, die man heute noch wiederfinden kann. Für einen schönen Reprint dieser Rarität hat Michael Bienert ein ausführliches Vorwort über das damalige Berlin und die Entstehung des Adressbuches verfasst.

Zu beziehen über den Shop des Kleist-Archivs Sembdner der Stadt Heilbronn:

http://www.kleist-shop.de/index.php/kategorie-layout/heilbronner-kleist-reprints/berlin-adressbuch-1801-detail

Samstag, 30. Mai 2015

Der Berlinologe gibt Auskunft im Radio

In einem Studio im ehemaligen RIAS-Gebäude hat Michael Bienert heute ein 25-minütiges Interview über seine Arbeit als Stadtführer und "Berlinologe" gegeben, das live auf WDR 5 gesendet wurde. Gesprächspartnerin war Sabine Brandi.

Hier kann man es nachhören oder als Podcast herunterladen:

http://podcast-ww.wdr.de/medstdp/fsk0/71/717484/wdr5neugiergenuegtredezeit_2015-05-30_mitdemliteraturwissenschaftlermichaelbienertaufliteratourmiteinemberlinologensendungvom300515_wdr5.mp3

Dienstag, 26. Mai 2015

25 Jahre mit Brecht durch Berlin

Im Sommer 1990 wurde zum ersten Mal die Bitte an Michael Bienert herangetragen, einen Spaziergang auf den Spuren Brechts in Berlin durchzuführen. Daraus hat sich viel entwickelt: ein Buch, eine Zeitungsserie, verschiedene Artikel und Aufsätze und ungezählte Führungen auf verschiedenen Routen durch die Stadt.
Spaß macht es immer noch, sich immer wieder etwas Neues auszudenken, wie man auf dem Foto sehen kann: Es zeigt den Cicerone mit Brecht-Konterfei, aufgenommen mit zwei neugierigen  Neuberlinern in der vergangenen Woche auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Das Interesse an Brecht nimmt kein Ende! Mehr Infos

Der Wohnpalast am Ostseeplatz

Michael Bienert vor dem sanierten Wohnpalast
Fotos: Aurelio Schrey/Gewobag
Arbeitseinsatz am Ostseeplatz: Dort hat die Gewobag einen DDR-Wohnpalast mit 116 Wohnungen denkmalgerecht saniert, bei Michael Bienert ein Gutachten zur Geschichte des Gebäudes in Auftrag gegeben und am vergangenen Donnerstag den Abschluss des Modernisierungsprojekts gefeiert. Auf zwei Führungen durch den Kiez stellte Michael Bienert die Geschichte des ab 1953 erbauten "Wohnkomplexes Ostseestraße" vor. Am Tag des offenen Denkmals (12. September 2015) wird es weitere Führungen geben. Auf BerlinOnline ist ein erster Artikel über den Wohnpalast erschienen: http://www.berlinonline.de/nachrichten/prenzlauer-berg/neuer-glanz-fr-den-wohnpalast-am-ostseeplatz-64451
Zum Bericht über das Projekt auf architekturmeldungen.de

Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup und Gewobag-Vorstand
Snezana Michaelis präsentieren die historische Kaltmangel
im Keller des Wohnpalastes.