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Donnerstag, 26. Februar 2015

Im Theater (57): Salomé im Kaffeehaus (Opernhaus Bonn)

Quelle: Theater Bonn
Ein abgetrennter Menschenkopf auf dem Silbertablett sind nicht genug. Gleich drei werden am Ende der "Salomé"-Oper im Bonner Opernhaus von einem Kellner aufgetischt. Es sind die Köpfe von Salomé, ihrer Mutter und des Stiefvaters, die - immer noch den Kopf auf den Schultern - um einen Kaffeehaustisch sitzen. Das ist ein bisschen dick aufgetragen, hat man doch längst kapiert, worum es den ungarischen Regisseurinnen Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka geht: Salomé ist kein Monster, sondern vor allem ein Opfer. Als Kind wurde sie von ihrem Stiefvater Herodes vergewaltigt,  dieses Verbrechen stellt sie in dem berühmten Schleiertanz pantomimisch dar. Nun nutzt sie die Gelegenheit, sich an Herodes zu rächen: Sie stellt ihn öffentlich als Barbaren bloß, indem sie ihn zwingt, ein gegebenes Versprechen einzulösen und den Propheten Jochanaan zu köpfen.
Klug haben die beiden Regisseurinnen, die auch für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnen, die Handlung aus dem gelobten Land in ein Kaffeehaus des frühen 20. Jahrhunderts verlegt. Dort mag auch die Idee zu der 1905 uraufgeführten Skandaloper von Richard Strauss geboren worden sein. Ins Kaffeehaus, einen Ort moderner Zivilisiertheit, bricht archaische Gewalt ein. Man kann das als historische Anspielung auf die Weltkriege verstehen, die sich in der Entstehungszeit der Oper vorbereiteten, oder als aktuelle Warnung davor, wie dünn die Decke der Zivilisation und Kultur ist. Salomé als Kopfgeburt aus dem Geist des Kaffeehauses: Das funktioniert in vielen Szenen sehr gut, besonders wenn die Juden eifernd über die Ankunft des Messias diskutieren wie Besucher in einem Zeitungscafé. Musikalisch eine kraftvolle Aufführung (Leitung: Stefan Blunier), an der Spitze des Ensembles überzeugt Nicola Heller Carbone als Salomé. Weitere Informationen und Aufführungstermine

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