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Mittwoch, 30. März 2016

Zeige Deine Wunde - Zeitgenössische Kunst in Berliner Kirchen

Von Elke Linda Buchholz -Die geschnitzte Marienfigur aus dem 16. Jahrhundert in der winzigen Kirche St. Thomas von Aquin war in der Karwoche unter einer Stoffhaube verschwunden, auch das moderne Elfenbeinkreuz neben dem Altar verhüllt. Uralter katholischer Brauch oder aktuelle künstlerische Intervention? Im Rahmen der Ausstellungsreihe „Sein.Antlitz.Körper“ überblenden sich spirituelle und säkulare Vorgänge. Elf Kirchen beteiligen sich übers Jahr an dem Reigen, den Kurator Alexander Ochs mit diversen Kooperationspartnern organisiert hat. In St. Thomas von Aquin war es Jesuitenpater Georg Maria Roers, der auch die Künstlerseelsorge dort betreut. Zur Eröffnung zitiert er den Propheten Jesaja: „Seht her, nun mache ich etwas Neues: Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ Weiterlesen im TAGESSPIEGEL

Samstag, 19. März 2016

Bruno Tauts Kiosk auf der Leipziger Buchmesse

Als Stadtbaurat in Magdeburg brachte der Architekt Bruno Taut 1921/22 reichlich Farbe ins Stadtbild. Am Bahnhofsvorplatz und elf weiteren Orten ließ er knallbunte Bücher- und Zeitungsverkaufspavillons aufstellen, die in der NS-Zeit spurlos verschwanden. Nach Originalplänen Tauts entstand 2015 ein Nachbau eines Pavillons, der auch auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse zu sehen ist - als Hingucker und Infokiosk für die pfiffige Tourismuswerbung von Magdeburg.


Mittwoch, 16. März 2016

Weibliche Lichtgestalten: Das Stadtmuseum feiert Berlin als "Stadt der Frauen"

Vor 150 Jahren wurde der Lette-Verein in Berlin gegründet, um die Berufsausbildung von Frauen zu fördern. Seither haben die Frauen immer neue Männerdomänen erobert, von einer Gleichstellung bei Aufstiegschancen und Bezahlung kann allerdings immer noch nicht die Rede sein. Unter reger Beteiligung von SchülerInnen des Lette-Vereins, der seit 1902 in einem repräsentativen Haus des Reformarchitekten Alfred Messel am Viktoria-Luise-Platz residiert, stellt das Stadtmuseum Berlin ab heute 20 Biografien von außergewöhnlicher Berlinerinnen vor, darunter die erste weibliche Vorsitzende des Lette-Vereins Anna Schepeler-Lette und die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die Architektin Emilie Winkelmann, der Filmstar Fritzi Massary, die Fliegerin Elly Beinhorn, Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz, Renée Sintenis und Jeanne Mammen. Ein bunte Mischung für eine sehr bunte Ausstellung, die keine frauenpolitische Stoßrichtung verfolgt, sondern einfach die Kreativität und Vielfalt des weiblichen Berlin seit der Mitte des 19. Jahrhunderts feiert. Ausgeblendet bleiben dabei die düsteren Seiten der "Stadt der Frauen", das Leben der zahl- und namenlosen Berlinerinnen, die ein Leben in Abhängigkeit führen mussten, die Dienstmädchen, Prostituierten oder billigen Arbeitskräfte in der Berliner Industrie. So wirken die Ausstellung und Katalog ein wenig oberflächlich und sehr auf den breiten Publikumserfolg berechnet und fördern nicht allzu viel Überraschendes zur Berliner Frauengeschichte zutage. Geben die eigenen Sammlungen des Stadtmuseums zum Thema wirklich so wenig her, wie der neue Direktor Paul Spies behauptet? Oder hat es an einer klaren Fragestellung gefehlt? Unterhaltsam inszeniert ist die Wundertüte im Ephraim-Palais allemal, mit dem neuen Chef weht durch den schwerfälligen Museumsapparat spürbar ein frisches Lüftchen und der kalkulierte Publikumserfolg sei allen Beteiligten ausdrücklich gegönnt. Aber es bleibt noch reichlich zu tun, Frauen den Platz in der Berlin-Geschichtsschreibung einzuräumen, der ihnen als der Hälfte der Bevölkerung eigentlich zusteht.

Weitere Infos und Öffnungszeiten unter www.stadtmuseum.de

Familiendrama mit Sprengstoffgürtel: Larry Tremblays Roman "Der Name meines Bruders"

Ein neunjähriger Junge sprengt sich zwischen Kindern in einem Flüchtlingslager in die Luft. Wie es dazu kommt und wie sein Zwillingsbruder damit weiterlebt, davon erzählt der kanadische Autor Larry Tremblay in 2013 erschienenen, bereits preisgekrönten Buch L´Orangeaie. Von Angela Sanmann sehr gut übersetzt, vom Verlag mit dem Gattungsnamen "Roman" etikettiert und mit dem griffigeren Titel Der Name meines Bruders (statt: Der Orangenhain) versehen, liegt es jetzt auf Deutsch vor. Die Sprache ist von karger Schönheit wie das Leben auf einer Orangenplantage an eine namenlosen Ort des Nahen Ostens, wie die Zwillingsbrüder Amed und Aziz aufwachsen. Eines Tages finden sie "ihre Großeltern in den Trümmern des Hauses. Ein Balken hatte der Großmutter den Schädel zerschmettert. Ihr Großvater lag in seinem Bett, in Stücke gerissen von der Bombe, die über die Gebirgshänge gekommen war."

Kämpfer aus dem Bekanntenkreis der Eltern von Amed und Aziz wählen eines der Kinder für den Märtyrertod als Selbstmordattentäter aus. Aziz leidet unter einer tödlichen Krankheit, heimlich tauscht er den Sprengstoffgürtel mit seinem gesunden Zwillingsbruder, der eigentlich als Opfer ausersehen ist. Als nach dem Attentat der Schwindel auffliegt, weil er das Gespinst von Lügen um sich herum nicht länger erträgt, wird der überlebende Junge aus der Familie ausgestoßen und  zu einer Tante in Kanada geschickt. Das letzte Drittel des Buches erzählt von seinem weiteren Schicksal als Schauspielschüler: Er verweigert sich, als er eine brutale Kriegsszene spielen soll und stürzt damit auch den Autor und Regisseur des Stücks in schwere Zweifel.

Der Autor Larry Tremblay ist vor allem als Dramatiker bekannt und sein kurzer Roman - so er denn diese Gattungsbezeichnung verdient hat - trägt mehr dramatische als epische Züge. Er verzichtet nahezu vollständig auf Ausschmückung und Ausmalung, umso pointierter sind die Dialogpassagen. Geschilderte Situationen und Abläufe erinnern des öfteren an filmische Erzählweisen. Diese Kunstgriffe lassen der Imagination des Lesers sehr viel Raum, ähnlich wie beim Lesen eines Stücks oder eines Drehbuchs. Dem Leser bleibt reichlich Distanz, um das erzählte Grauen näher oder weniger nah an sich heranzulassen, je nachdem, wieviel er sich zumuten will. Das Buch gibt keine allgemeine Antwort darauf, wo der aktuelle Terror seinen Ursprung hat, es macht aber anhand einer gut erfundenen Geschichte durchsichtig, wie Familien dazu gebracht werden können, ihre Kinder im Krieg zu opfern. Und warum Menschen alles hinter sich lassen und unendliche Strapazen auf sich nehmen, nur um dem Alltag des Krieges zu entgehen.

Larry Tremblay
Der Name meines Bruders 
Aus dem Französischen von Angela Sanmann
Verlag C. H. Beck, München 2015
ISBN 978-3-406-68341-1
176Seiten, 17,95 €

Mittwoch, 9. März 2016

Auf Sendung

Im "Tagesthema" des rbb-Kulturradios ging es am Donnerstag, dem 10. 3. 2016, ab 12.10 Uhr um literarische Schauplätze in alten und neuen Berlin-Büchern. Als Gesprächspartner waren Michael Bienert und Claus-Ulrich Bielefeld eingeladen, Hörer konnten sich per Telefon beteiligen. Hier kann man die Sendung hören.

Dienstag, 8. März 2016

Denkmalpflege an der Parochialkirche. Eine Buchvorstellung mit Baustellenbesichtigung

Vor der Parochialkirche in Mitte steht bereits die Stahlkonstruktion für einen Teil der Turmspitze, die im Sommer aufgesetzt werden soll werden soll, daneben verkleiden Handwerker unter einer Plane in Handarbeit ein weiteres Turmsegment mit Kupferblech. Repariert und restauriert wird an der Kriegsruine und dem Kirchhof schon seit über 20 Jahren. Inzwischen ist das einzigartige Ensemble wieder als Einheit von barockem Gotteshaus und Kirchhof erlebbar, und durch ovale Öffnungen am Sockel der Kirche kann man sogar die Särge in der unterirdischen Gruft erspähen. "Die denkmalpflegerische Arbeit einer ganzen Generation", so Landeskonservator Jörg Haspel, wird nun in einem von ihm herausgegebenen umfangreichen und schönen Buch gewürdigt. Haspel stellt das Projekt Parochialkirche in eine Reihe mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums und von Schinkels Elisabethkirche nach der Wiedervereinigung. Ein zentrales Stück Stadtgeschichte wurde hier wiederhergestellt und erlebbar gemacht; schließlich war die um 1700 erbaute Parochialkirche die erste Heimatkirche einer reformierten Gemeinde in Berlin und mit ihrem Glockenspiel ein echtes Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Kirchhof glänzen neu vergoldet die von Schinkel entworfenen Eisenkreuze, und unten in den Gruftgewölben glaubt man sich vollends ins 18. Jahrhundert zurückversetzt.
Dendrochronologische Untersuchungen haben nun ergeben, dass nicht nur die Steingewölbe, sondern auch 25 alte Holztüren vor den Grabkammern noch aus der Erbauungszeit stammen. In den Kammern stehen bis zu 300 Jahre alte Sarkophage, barocke Prunksärge, aber auch schlichte Kistchen für früh verstorbene Kinder. Mit dem rekonstruierten Turm und dem Glockenspiel wird das Denkmalensemble vervollständigt, eine Rekonstruktion des weiten Innenraums der Kirche allerdings wird es nicht geben: Die Stiftung kirchliches Kulturerbe, ein Treuhandstiftung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, will ihn künftig vorrangig als Ort für die Restaurierung, Erforschung und Präsentation sakraler Kunst in Berlin und Brandenburg nutzen.

Jörg Haspel (Hg.)
Parochialkirche in Berlin
Sakralbau – Kirchhof – Gruft
Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Band 44
Michael Imhof Verlag, 2016
296 Seiten, 173 Farb­- und 100 S/W-Abbildungen
ISBN 978-3-7319-0238-6
39,95 Euro

Ein weiteren Blogbeitrag zum Wiederaufbau des Turms der Parochialkirche können sie hier lesen.

Freitag, 4. März 2016

Ein Film über der Architekten und Stadtplaner Ernst May

Ernst May
Quelle: http://deutsches-filminstitut.de
Beim Namen Ernst May denkt man in erster Linie an das Neue Frankfurt. Innerhalb von nur fünf Jahren schuf der Architekt und Städtebauer für dieses Projekt zwischen 1925 und 1930 rund 15.000 Wohnungen, avantgardistische öffentliche Bauwerke und eine zeitgemäße soziale Infrastruktur. Er selbst sprach von der „Revolution des Großstädters“, die er seiner Vaterstadt Frankfurt damit ermöglichte. Doch das Neue Frankfurt machte nur einen kleinen Teil des OEuvres Ernst Mays aus. Er war auch in der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen aktiv und an den Planungen für die Reichsforschungssiedlung in Spandau-Haselhorst beteiligt. In den 1930er Jahren führte ihn seine Arbeit in die Sowjetunion, wo er vor dem Hintergrund der forcierten Industrialisierung moderne Arbeiterstädte aus dem Boden stampfte. Anschließend war er 20 Jahre als Privatarchitekt in Ostafrika tätig. Hier realisierte er nicht nur avantgardistische Villen für wohlhabende europäische Siedler, sondern übertrug mit der Erweiterung der Stadt Kampala auch sein städtebauliches Können in den afrikanischen Kontext. Der 90minütige Dokumentarfilm erzählt in drei Kapiteln die zentralen Lebensabschnitte Ernst Mays, die sich mit drei seiner Großprojekte decken.

9. März 2016, 19 Uhr
Max-Lingner Haus, Beatrice-Zweig-Straße 2, 13156 Berlin
«EINE REVOLUTION DES GROSSSTÄDTERS» ERNST MAY—ARCHITEKT UND STADTPLANER AUF DREI KONTINENTEN 
Ein Film von Otto Schweitzer (2015), vorgestellt von Dr. Eckhard Herrel und Julius Reinsberg (ernst-may-gesellschaft Frankfurt/M.) 

Ein Literaturfestival jagt das nächste

Noch bis 19. März läuft das Literatur:BERLIN Festival 2016, das vom Georg Büchner Buchladen in Prenzelauer Berg und der Kulturbrauerei organisiert wird, in dieser Zeit finden um den Kollwitzplatz jeden Abend ein oder zwei Lesungen statt. In Richtung Mitte, rund um die Torstrasse, folgt vom 24. bis 30. April das READ:BERLIN Literaturfestival mit einem dichten Programm und Anfang Juni dann das 17. poesiefestival berlin der literaturWERKstatt in der Akademie der Künste. Noch ein bisschen hin ist es bis zum Internationalen Literaturfestival im September.

Mit Bassani in Ferrara - ein Reisefeuilleton zum 100. Geburtstag des Autors

Der italienische Schriftsteller Giorgio Bassani wäre heute 100 Jahre alt geworden. In mehreren seiner Romane spielt die Stadt Ferrara eine Hauptrolle als literarischer Schauplatz, auch in seinem 1962 erschienenen Hauptwerk "Die Gärten der Finzi-Contini". Elke Linda Buchholz hat sich in Ferrara an die Fersen des Autors und seines Dichterkollegen Ariost geheftet. Ihr Reisefeuilleton ist im Literaturblatt für Baden-Württemberg erschienen und auch hier nachzulesen.

Mittwoch, 2. März 2016

Friedrich Forssmann spricht über gute Buchgestaltung

Friedrich Forssmann ist der Star unter den Buchgestaltern in Deutschland. Die Ankündigung seines Vortrags zur Frage "Was ist gute Buchgestaltung?" zwang die Staatsbibliothek gestern abend, kurzfristig einen neuen Raum in der nahen Universität zu aquirieren, so groß war der Andrang der Neugierigen. Natürlich konnte Forssmann die Frage nicht abschließend beantworten (dann bräuchten wir ja auch keine kreativen Typografen und Umschlagkünstler mehr), unterhielt sein Publikum aber zwei Stunden lang prächtig. Er präsentierte Beispiele vor allem aus der eigenen Produktion und erklärte seine Beweggründe für die Wahl unterschiedlicher Gestaltungsmittel bei der Inszenierung von Werkausgaben, wissenschaftlichen Schriften, Literaturzeitschriften oder aktueller Belletristik.

Der Engel drängt zum Aufbruch

Radierung von Tiepolo (SMB / Dietmar Katz)
Josef, Maria und Jesus auf der Flucht vor dem Tyrannen Herodes: Künstler von Claude Lorrain bis Francisco Goya haben das biblische Motiv aufgegriffen. Elke Linda Buchholz hat die Ausstellung "Familie auf der Flucht" des Kupferstichkabinetts für den TAGESSPIEGEL besprochen.

Zum Artikel

Bis 24. April 2016 in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum.

Weitere Informationen und Öffnungszeiten