Translate

Mittwoch, 2. März 2016

Friedrich Forssmann spricht über gute Buchgestaltung

Friedrich Forssmann ist der Star unter den Buchgestaltern in Deutschland. Die Ankündigung seines Vortrags zur Frage "Was ist gute Buchgestaltung?" zwang die Staatsbibliothek gestern abend, kurzfristig einen neuen Raum in der nahen Universität zu aquirieren, so groß war der Andrang der Neugierigen. Natürlich konnte Forssmann die Frage nicht abschließend beantworten (dann bräuchten wir ja auch keine kreativen Typografen und Umschlagkünstler mehr), unterhielt sein Publikum aber zwei Stunden lang prächtig. Er präsentierte Beispiele vor allem aus der eigenen Produktion und erklärte seine Beweggründe für die Wahl unterschiedlicher Gestaltungsmittel bei der Inszenierung von Werkausgaben, wissenschaftlichen Schriften, Literaturzeitschriften oder aktueller Belletristik.

So strahlt das Grau der neuesten Benjamin-Werkausgabe Seriosität aus, die serifenlose Auszeichnungsschrift moderate Modernität, der Wechsel von Block- zum Flattersatz lässt sofort erkennen, ob es sich um die Wiedergabe einer gedruckten Schrift handelt oder eine Manuskript dem Text zugrunde liegt. Bei der Wahl der Schriftarten sucht Forssmann nach Lösungen, die einen heutigen Leser ansprechen, aber zugleich Assoziationen an die Typografie der Entstehungszeit der Texte wach halten. "Er geht in der Buchgestaltung nicht in erster und letzter Linie um Funktion", sagt Forssmann, eher schon um das "Vergnügen an Differenzen". Er wolle das Vertrauen des Leser gewinnen, ihn zum Mitspieler machen wie den Zuschauer im Theater. Das funktioniere aber selbstredend nicht, wenn eine Klassikerausgabe daher komme wie ein Schulbuch oder ein literarischer Text so lieb- und einfallslos eingekleidet werde wie zuletzt Wolfgang Herrndorfs bei Rowohlt erschienenes Buch "Sand".
Gleichwohl zeigte sich der "Schriftgott aus Kassel" (Literaturen) überaus nachsichtig und neugierig gegenüber den Produkten von Amateurtypografen, die oft sehr vieles richtig machten, gerade in der Abweichung von gerade üblichen Gestaltungskonventionen. Hauptsache, der Bruch mit Regeln und Erwartungen drücke genau das aus, wofür eine Publikation stehe und was einer Zielgruppe mitgeteilt werden solle. - Und was geht gar nicht? "Eine klebegebundenes Hardcoverbuch ist Talmi, denn es widerspricht dem Ewigkeitsversprechen des gedruckten Buches und es gibt keinen zwingenden ökonomischen Grund, auf die nur wenige Cent teurere, praktisch unzerstörbare Fadenheftung zu verzichten."

Weitere Informationen zur Vortragsreihe "Die Materialität von Schriftlichkeit" in der Staatsbibliothek finden Sie hier. Eine lesenswerte Polemik Forssmanns gegen das E-Book ist online im Logbuch des Suhrkamp Verlags erschienen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen