Translate

Mittwoch, 27. April 2016

Enthüllt - Berlins verschwundene Denkmäler sind ab sofort in der Spandauer Zitadelle ausgestellt

Fotos: Michael Bienert
Soviel Aufregung um Lenins Kopf, der vor 25 Jahren symbolträchtig vom Sockel des großen Denkmals am heutigen Platz der Vereinten Nationen gehoben, verbuddelt und nach kontroverser Diskussion letztes Jahr wieder ausgegraben wurde! Da liegt der Granitklotz nun in der hintersten Ecke des neuesten Berliner Museums und döst ganz unmonumental vor sich hin. Er reiht sich ein in die lange Kette von Denkmälern, mit denen Stadträume ideologisch besetzt wurden, um dann nach einem Systemwechsel wieder aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Den größten Raum nimmt der Figurenschmuck der ehemaligen Siegesallee im Tiergarten ein, die 1901 als Geschenk des Kaisers an die Stadt fertiggestellt wurde (s. Abbildung unten). 96 Einzelporträts von preußischen Herrschern und ihren Zeitgenossen umfasste das Ensemble für den Geschichtsunterricht im Grünen ursprünglich, ein Teil wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, ein Teil unter alliierter Verwaltung vergraben und später wieder ausgebuddelt.
Ein überraschendes Wiedersehen gibt es in der Ausstellung auch mit dem glitzernden Kubus, aus dem in DDR-Zeiten in der Neuen Wache die ewige Flamme für die Opfer des Faschismus emporloderte (s. Abbildung rechts). Heute steht dort die Skulptur einer trauernden Mutter, nach einem von Helmut Kohl eigenhändig ausgesuchten Entwurf von Käthe Kollwitz.
Von den Monumenten der Weimarer Republik ist in der Dauerausstellung im umgebauten Proviantmagazin der Zitadelle lediglich das Denkmal für die gefallenen Eisenbahner ausgestellt, das 1928 vor dem Hamburger Bahnhof enthüllt wurde. Aus der NS-Zeit stammt neben einer Figur Arno Brekers ein 2011 ausgegrabener völkischer Gedenkstein mit der Inschrift "30. Hartung 1933" aus dem Grunewald. Ergänzt werden die dreidimensionalen Objekte durch Medientische und Projektionen, mit denen zum Beispiel an Mies von der Rohes verschwundenes Mahnmal für die Opfer der Revolution von 1918/19 in Friedrichsfelde erinnert wird, oder an die hypertrophen "Germania"-Pläne Adolf Hitlers und Albert Speers. Originell ist die Idee, in einem dunklen Raum die Akustik der von Speer geplanten, über 300 Meter hohen "Großen Halle" zu simulieren. Für Blinde und Nichtblinde gibt es zahlreiche kleine Modelle zum Betasten in der Ausstellung, und auch für die ausgestellten Denkmalskulpturen gilt ausdrücklich: Anfassen erlaubt!
Weder ein Lapidarium noch eine Kunstausstellung hatten die Ausstellungsmacher um die Spandauer Kulturamtsleiterin Andrea Theissen im Sinn: "Wir wollten politische Denkmäler zeigen, die etwas über die Geschichte und ihren Umgang damit erzählen." Ergänzt wird die Präsentation der aus dem Stadtbild verschwundenen Denkmäler durch eine temporäre Schau mit kleineren Objekten, Fotos und Dokumenten zur Denkmalgeschichte Berlins seit dem 18. Jahrhundert - die tiefere Einblicke in die Berliner Denkmalgeschichte ermöglicht als die Dauerausstellung, weshalb man beides möglichst vor dem 30. Oktober 2016 besichtigen sollte. Außerdem zeigen neun lebende Künstler auf einer dritten Ausstellungsebene aktuelle Arbeiten, die sich mit Berliner Denkmälern auseinandersetzen. Es ist reichlich Ausstellungsfläche in der Zitadelle vorhanden, denn das Büro Stab Architekten hat zwei langgestreckte Flügel der Anlage - das Proviantmagazin und die Alte Kaserne - denkmalgerecht umgebaut und dabei viele Spuren der Geschichte wieder sichtbar gemacht. Insgesamt 14 Millionen Euro standen für Umbauten und Ausstellungen zur Verfügung. Eine kluge Investition am richtigen Ort, der die Zitadelle als Kulturstandort und Touristenattraktion nachhaltig aufwertet.

Weitere Infos unter www.enthuellt-berlin.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen