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Donnerstag, 30. März 2017

Soziale Moderne: Otto Bartning in der Akademie der Künste

Wohnblock von Otto Bartning in Haselhorst
Foto: Bienert
Als Kirchenbaumeister gehört Otto Bartning zu den bekannten deutschen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Person und ihr Gesamtwerk sind dahinter verblasst - zu Unrecht, wie nun eine große Retrospektive in der Akademie der Künste zeigt. Zu Lebzeiten unter Kollegen hoch geschätzt, nannte ihn Oskar Schlemmer einmal den "eigentlichen Vater des Bauhaus-Gedankens" - doch war Walter Gropius der viel geschicktere Propagandist der gemeinsam entwickelten Ideen für eine neue Kunstausbildung, während Bartning sich nie in den Vordergrund spielte. Zentral für ihn war der Gedanke einer Gemeinschaft, für die Architekten angemessene Räume schaffen sollten, seien es Kirchen, Krankenhäuser, Wohngebäude oder ein Wohnquartier wie das Berliner Hansaviertel. Ohne selbst dort zu bauen, war Bartning der Initiator, Organisator und Regisseur der Bauausstellung im Tiergarten vor 60 Jahren. Die weiten Ausstellungshallen der Akademie der Künste am Hanseatenweg sind daher der ideale Ort für eine Würdigung.
Stahlkirche in Köln, 1928
Ausgangspunkt war die langjährige wissenschaftliche Aufarbeitung des privaten Nachlasses von Otto Bartning in der TU Darmstadt. Moderne Baugesinnung beflügelte den jungen Architekten schon in der Kaiserzeit, er schloss sich dem Deutschen Werkbund an, nach der Novemberrevolution dem Arbeitsrat für Kunst, engagierte sich in der 1926 gegründeten Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen und in der Architektenvereinigung Der Ring: Bartning war immer zur Stelle, wenn es darum ging, modern, qualitätvoll und wirtschaftlich zu bauen.
Otto Bartning um 1930
(Foto: AdK)
In der Nazizeit ging er nicht ins Exil wie viele Weggefährten, verlor aber an Einfluss, hielt sich von der Naziideologie fern und baute ausschließlich Kirchen. Politisch unbelastet spielte Bartning in der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle als Integrationsfigur und Brückenbauer zu vertriebenen Kollegen, ab 1950 als Präsident des Bundes Deutscher Architekten. Das Wort "Wiederaufbau" lehnte er ab: "Aber schlichte Räume lassen sich auf den bestehenden Grundmauern und aus den brauchbaren Trümmerstoffen errichten." Auf gesellschaftliche Herausforderungen angemessen zu reagieren, als Architekt das Beste daraus zu machen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, diese Grundhaltung zieht sich durch Bartnings vielfältiges Werk, das in der großen Akademieausstellung und in dem schönen Katalog eine völlig angemessene Würdigung erfährt.

Bis 18. 6. 2017 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg
Weitere Informationen 

Sonntag, 12. März 2017

Hier baut Suhrkamp


Hinter der Volksbühne, zwischen Tor- und Linienstraße, baut der vor sieben Jahren von Frankfurt nach Berlin umgezogene Suhrkamp Verlag seinen neuen Geschäftssitz. Die Informationspolitik des Bauherren und Baumfällungen auf der Grünfläche haben Anwohnerproteste ausgelöst, der Verlag versichert, es werde ein neuer hochwertiger Stadtplatz vor dem Neubau entstehen. Mehr im Tagesspiegel

Samstag, 11. März 2017

Ian McEwans "Nussschale" in der Kritik eines Lesezirkels

"Das schlechteste Buch, das ich seit langem gelesen habe." - "Toll erzählt." - "Virtuos gemacht, aber es hat mich total kalt gelassen." - "Eine wirklich originelle Perspektive auf die Welt." - Unser neunköpfiger Lesezirkel* war völlig geteilter Meinung über Ian McEwans Roman Die Nussschale. Aus der Perspektive eines Fötus im Mutterleib wird ein Ehebruch und Gattenmord erzählt, mit vielen Anspielungen auf Shakespeares Hamlet und anderen literarischen Referenzen, ist doch der Vater des Fötus Lyrikdozent und Verleger. Der ungeborene Erzähler kennt sich auch schon mit den Weinsorten, mit Lagen und Jahrgängen bestens aus, die seine Mutter mit ihrem Liebhaber verkonsumiert. Klar, das ist hoch ironisch und komisch gemeint, viel schwarzer britischer Humor funkelt in diesem Monolog. Die kontrafaktische Annahme, dass ein Ungeborenes bei vollem Bewusstsein das Geschehen um ihn herum reflektiert, muss man als Ausgangspunkt des Erzählexperiments akzeptieren - aber dass auch die aus dieser eingeschränkten Innensicht geschilderte Mutter sich absolut nicht wie eine Schwangere im neunten Monat verhält, dass das Geschehen dann weitgehend doch aus der Außenperspektive und Gedankenwelt eines älteren weißen Autors geschildert wird, kann man als Schwäche werten. Sich auszudenken, wie der Fötus den Geschlechtsverkehr der Mutter von innen beobachtet, ist witzig, aber eben nur das, weil in eine belanglose Spintisiererei. Dabei hat Bernard Robben Nutshell hervorragend übersetzt. Viele witzige Sprachspiele und Anspielungen gehen dennoch verloren, das fängt schon beim Titel ein: Die Redewendung in the nutshell schwingt darin mit, was soviel heißt wie auf den Punkt. Ergebnis der kontroversen Diskussion: Man kann dieses Buch mit großem Genuss konsumieren, besonders wenn man sehr gut Englisch liest, es aber auch mit Grund total doof und langweilig finden. Das stärkste Buch des vielfach preisgekrönten Autors Ian McEwan sei es nicht, zumindest in diesem Punkt herrschte Übereinstimmung.

* Gemeinsam gelesen und diskutiert wurde der Roman von einer Kunsthistorikerin, einem Feuilletonisten, einer Autorin, einem Juristen, einer Germanistin, einem Übersetzer, einem Regisseur einem Romanist und einem Linguisten.

Ian McEwan
Nussschale
Diogenes Verlag
Zürich 2016
288 Seiten, 22 Euro


Samstag, 4. März 2017

Im Herbst 2017 erscheint "Döblins Berlin. Literarische Schauplätze" von Michael Bienert

Berlin sei Benzin, schrieb Alfred Döblin, und der „Mutterboden aller meiner Gedanken.“ Von der Gründerzeit bis zur Vertreibung durch die Nazis war der Schriftsteller und Nervenarzt rund 40 Jahre lang Augenzeuge des Aufstiegs Berlins zur Metropole, hat das Stadtleben reflektiert, kommentiert und mitgestaltet. Der Streifzug durch Döblins Werke und seine Stadt führt zum Alexanderplatz, ins Scheunenviertel, ins Berliner Rathaus, in Krankenhäuser und ins Gefängnis, bis hinter die Vogesen und ins 26. Jahrhundert. Die Schauplätze des Romans Berlin Alexanderplatz bilden den roten Faden, denn seit 25 Jahren leitet Michael Bienert Stadtspaziergänge auf den Spuren des Romanhelden Franz Biberkopf. Das Buch erscheint im Herbst 2017 bei vbb - verlag für berlin-brandenburg.

150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen. Eine Jubiläumsausstellung

Von Elke Linda Buchholz - Zwischen dicken Plexiglasscheiben klemmt ungesponnene Schafwolle: Rohstoff für Gewebe, Netze, Fallstricke, Wärmendes. Oder Symbolmaterial zum Weiterspinnen. Den Mythos vom Goldenen Vlies nimmt Silvia Klara Breitwieser in ihrer schon vor 30 Jahren entstandenen Installation zur antiken Argonautensage zum Ausgangspunkt, Alltagsfundstücke zwischen Hightech und Lowtech zu befragen. Computerplatine, Torfstück, Eisenschraube, Wollgespinst: Wie entsteht geistiger Mehrwert? Die Gedanken nehmen Fahrt auf. Die Argonautin schifft sich ein und segelt weiter. Acht Positionen von Künstlerinnen versammelt die Ausstellung in der Kommunalen Galerie Berlin. Was sie eint: Sie sind Mitglieder des vor 150 Jahren gegründeten Vereins der Berliner Künstlerinnen. Weiterlesen auf www.tagesspiegel.de

René Wirth, der Dingemaler

Von Elke Linda Buchholz - Der Maler nimmt den Hammer zur Hand. Unverzüglich muss der Keilrahmen nachgespannt werden, gleich hier in der Ausstellung im Haus am Lützowplatz. Denn auf der weißen Leinwand haben sich Dellen gebildet, Schattenwürfe also. Das darf nicht sein, das lenkt bloß ab. In diesem Fall von dem großen Hühnerei, das sich formatfüllend auf der Leinwandfläche rundet. Es ist ein Ei, sonst nichts. René Wirths malt Dinge. Viel größer als in Wirklichkeit erscheinen sie, aber merkwürdigerweise nicht überdimensioniert – sondern gerade richtig, um die fein dokumentierten Oberflächen genau unter die Lupe zu nehmen. Weiterlesen auf www.tagesspiegel.de