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Mittwoch, 28. März 2012

Ausstellungsrundgang: Friedrich der Große als Haudegen, Falschmünzer und Knuddelbär


Mitgenommen sieht er aus. Das marmorweiße Gesicht des alten Haudegens und sein Dreispitz sind fleckig als käme er aus einer Feldschlacht. Sein Blick geht ernst, fast verstört ins Leere, ohne Aufmerksamkeit für die anmutige Venus und den verführerischen Götterboten Hermes aus Sanssouci, die den Treppenaufgang in der kleinen Kuppelhalle des Bode-Museums flankieren.
Eine Etage höher steht Friedrich der Große noch einmal, umringt von Generälen, die für ihn starben. Das blitzsaubere Standbild oben ist eine Kopie, unten hat sich die deutsch-polnische Geschichte in das Original eingefressen wie Säure. Der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow meißelte die Denkmalfigur für Stettin, wo sie 1793 aufgestellt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg lange unauffindbar war. Für die polnisch gewordene Stadt kam eine Ehrung Friedrichs im öffentlichen Raum nicht in Frage. In den Augen der östlichen Nachbarn war er Raubtier, mit seinem Namen verbinden sie die erste polnische Teilung von 1772 und das jahrzehntelange Verschwinden Polens von der politischen Landkarte.
Vom Schreckgespenst zum kriegsversehrten Friedenbotschafter: Dieser  wunderbare Bedeutungswandel ist Schadows Friedrich-Bildnis nun widerfahren. Das schwer beschädigte Original wurde von polnischen Restauratoren mit deutscher Unterstützung wiederhergestellt und vom Nationalmuseum in Stettin zum 300. Geburtstag des Königs nach Berlin ausgeliehen. Nicht auf Hochglanz poliert, sondern als angeschlagener Veteran der deutsch-polnischen Beziehungen, auf Beinprothesen aus blankem Marmor.
„Soll das Land glücklich sein, will der Fürst geachtet werden, so muss er Ordnung in seinen Finanzen halten. Noch nie hat sich eine arme Regierung Ansehen verschafft“, steht einige Säle weiter in Großbuchstaben an einer Wand über Vitrinen, in denen mit Münzen aus Friedrichs Regierungszeit glänzen. Taugt er etwa doch noch als Stichwortgeber für die Gegenwart? Eine Sonderschau des Münzkabinetts schafft es zumindest, das friderizianische Geldwesen als spannendes Politikfeld darzustellen. Die faszinierenden Widersprüche des königlichen Charakters werden darin sichtbar: Friedrich wirtschaftete umsichtig mit dem Staatsschatz, den ihm sein krämerischer Vater hinterlassen hatte, schreckte aber auch vor waghalsigen Spekulationen nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen. Den Siebenjährigen Krieg finanzierte er zum Teil durch Falschmünzerei. Danach aber beeilte er sich, das Vertrauen in den Geldkreislauf  durch ebenso beherzte Reformen zurückzugewinnen: „Ich zahle über kurz oder lang alle Staatsschulden; dann kann ich ruhig sterben, wann es mir gefallen wird.“

Nicht wegen seiner Schlachten darf Friedrich II. von Preußen heute wieder allenthalben „der Große“ genannt werden, sondern wegen seines intellektuellen Formats. Gerade in der Detailbetrachtung blitzt es immer wieder auf, etwa in der Ausstellung des Berliner Musikinstrumentenmuseums über Grauns Oper „Montezuma“, für die Friedrich das Textbuch lieferte. 1755 kam sie im Haus der heutigen Staatsoper heraus. Friedrich ließ dieses Lieblingsspielzeug für ein Vermögen in die Berliner Kulturwüste setzen und gefiel sich in der Rolle des Generalintendanten. Theatermaschine, Bühnenbildentwürfe, Kosteninventare  und Hörproben in der Ausstellung machen den damaligen Opernbetrieb nacherlebbar. Als Librettist von „Montezuma“ scheute der aufgeklärte König keine politische Brisanz. Der Eroberer Schlesiens attackierte den Kolonialismus der Spanier und hatte seinen Heidenspaß daran, „dass man selbst in der Musik einige Raketen wider die Barbarei der katholischen Religion werfen kann.“
Die Alte Nationalgalerie zeigt schon immer die berühmten Friedrich-Gemälde Adolph Menzels aus dem 19. Jahrhundert – darunter das „Flötenkonzert von Sanssouci“ –, nun ergänzt um Zeichnungen, Skizzen und Grafiken dieses Künstlers, der 40 Jahre um eine wirklichkeitsnahe Darstellung der friderizianischen Epoche rang. Menzels Bild „Friedrich der Große auf Reisen“ ließ sich Hitler ins Arbeitszimmer des Münchner Führerbaus hängen. Das wurde dem Werk zum Verhängnis: Bei Plünderungen am Ende des Zweiten Weltkrieges schnitten Unbekannte die obere Hälfte des Königs aus der Leinwand.
So versehrt ist Menzels Bild derzeit im Deutschen Historischen Museum ausgestellt. 
Der Beschlagnahme Friedrichs durch die Nationalsozialisten folgte nach 1945 ein tiefer Sturz: Das Staatsgebilde Preußen verschwand, viele Königsdenkmäler fielen, im Geschichtsbild entstand eine Lücke. Das nationale Geschichtsmuseum schlägt einen Bogen um die Frage, wie sie zu schließen wäre. „Jede Gesellschaft macht sich ihren eigenen Friedrich“, konstatiert Museumschef Alexander Koch lapidar und überlässt es dem Publikum, für welchen es sich entscheidet. Seine Kuratoren ziehen sich auf die Inventarisierung der Rezeptionsgeschichte zurück und füllen so zwei Etagen: mit Friedrich als Wachsfigur, Wandbild für die gute Stube, Anekdotenheld, Comicfigur, Bierreklame, Werbeträger für rechte Parteien, Porzellannippes und als Teddy zum Knuddeln.
Zur Einstimmung sind Totenmaske und Totenhemd in einem gruftartigen Raum feierlich wie Reliquien inszeniert. Kinder begleitet „Fridericus Ducks“, eine Disneyfigur im preußischblauen Uniformrock mit Dreispitz, durchs Deutsche Historische Panoptikum. Am Ausgang kann jeder seinen Kopf durch ein Loch in einem Friedrichbild stecken, um sich als Wiedergänger des großen König  fotografieren zu lassen: In diesem Preußenjahr darf jeder mit seinem eigenen Fritz selig werden!

AUSSTELLUNGSORTE

DHM „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ bis 29. Juli, Katalog 24 Euro. Mehr unter www.dhm.de
BODE-MUSEUM „Für 8 Groschen ist´s genug – Friedrich der Große in seinen Münzen und Medaillen“ bis 14. Oktober, Begleitbuch 14,90
ALTE NATIONGALERIE „Das Bild Friedrichs des Großen bei Menzel“ bis 24. Juni, Begleitbuch 20 Euro
KULTURFORUM „Friedrichs Montezuma“, bis 24. 6. und „Am Rande der Vernunft. Bildzyklen der Aufklärungszeit“ bis 29. Juli. Mehr unter www.smb.museum/kunstkoenigaufklaerung

BÜCHER ZUM FRIEDRICHJAHR www.berlinstory.de


Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 28. März 2012 



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